Tag 2 Inselrunde mit dem Fahrrad

 

Wr radeln auf der sogenannten grünen Radroute durch die Salzwiesen der Goldelniederung und legen kleine Stopps am Strand bei Hedehusum und am Gotinger Kliff ein. Hier ist nicht viel los, eine Bank auf einer Anhöhe, Dünengras, ein schmaler Strand, Wind und das weite Meer. Am Strand stehen eine Handvoll Strandkörbe. Wir fahren weiter durch Nieblum bis nach Wyk.

 

Am Hundestrand lassen wir Hannes durch das Wasser toben und schieben danach die Räder am Strand entlang Richtung Südstrand. Neben einer Bank an unserem Weg steht ein nackter älterer Mann und auf der Bank sitzt eine ältere Frau in Jeans und Strickjacke, die ihm gerade ein Sandwich reicht. Das ist ein total skurriler Moment, aber es scheint ok zu sein, dass er sich uns ahnungslosen Radlerinnen präsentiert, denn wir befinden uns am FKK-Strandabschnitt.

 

Wir bleiben ein Stück weiter bei einem Haus, das in der Miniserie Reiff für die Insel als Drehort diente, stehen, und schauen es uns an. Es ist unbewohnt. Die Holzstufen, die hinauf zum Haus führten, liegen kreuz und im Dünensand. Im Film ah alles viel besser aus. Dann schieben wir die Räder weiter am Südstrand entlang. Hier wird es voller. Es gibt einen Verleih für Surfbretter und schöne Strandbars und -cafés mit Terrassen. Schaut man aufs Meer, sieht man in der Ferne parallel zur Küste die Halligen, die nebeneinander wie dunkle Maulwurfhaufen aus dem Watt ragen.

 

 

Wyk kurz nach dem ersten Lockdown 

 

An der Strandpromenade des Weststrandes schließen wir die Räder an und trinken einen Latte Macchiato. Die Kellnerin ist leider genervt. Die Mitarbeiter der Cafés können einem momentan auch echt leid tun. Sie müssen die ganze Zeit mit Maske arbeiten, ständig alles desinfizieren und auf Abstände der Kaffeegäste achten. Und werden dann auch noch angepöbelt. Wir trinken schnell und stehen recht schnell wieder auf und schlendern dann an den Schaufenstern entlang.

 

Ich gehe in ein Bekleidungsgeschäft und versuche, mich für ein rosa Sweatshirt mit Anker zu interessieren, lege es dann aber doch wieder hin. Shoppen mit Maske ist ungewohnt und macht keinen Spaß. Die Betreiberin der kleinen Boutique steht etwas verloren mit ihrer Maske in einer Ecke. Ich bin die einzige Kundin und sie tut mir auch leid. 

 

Nun locken uns die roten Flaggen eines dänischen Eisladens an. Ich gehe zum Verkaufstresen und erkundige mich unsicher, ob ich die Maske aufsetzen muss. Der Eismann ist jung und hat Schwung und sagt „Dieses schöne Gesicht sollte nicht mit einer Maske bedeckt werden.“ Ich weiß ja, dass er nur sein Eis verkaufen will, bin aber trotzdem über alle Maßen begeistert, lache und sage "Mehr mehr mehr davon bitte!" Echt peinlich! Er reicht mir mein dänisches Softeis mit den Worten „für die schönste der aller-aller-allerschönsten Frauen.“ Guter Eisverkäufer und doppelt leckeres Softeis! Denmarklove forever.  

 

Danach kaufen wir im kleinen Industriegebiet ein Kopfkissen, haben nämlich nur eines an Bord. 

 

 

Inselauszeit Föhr

 

Die ruhige Seite der Insel

 

Wir fahren um das Hafenbecken herum und nehmen den meerseitigen Radweg am Wattenmeer entlang. Hier im Norden der Insel hat die Natur Oberhand.

 

Gatter für Gatter zwingt uns, vom Rad abzusteigen. Gar nicht so leicht, mit einer Hand die schweren Gatter offen zu halten und gleichzeitig mit der anderen Hand das Ebike durchzuschieben. Beim Schließen rutscht die schwere Pforte mir manchmal aus der Hand und fällt knapp hinter meinem hinteren Schutzblech zurück, aber ich habe Glück, denn mein Rücklicht überlebt alle Gatter.

 

Das monotone Radeln in der Einsamkeit hat etwas Meditatives. Links der Deich, rechts die Nordsee, vorbei an Schaf für Schaf für Schaf. Sie ignorieren uns, zotteln über den Deich oder den Radweg oder liegen rum. Wie sie einen angucken und blöken, ist so niedlich und so witzig.

 

 

Dann beobachten wir, wie ein Mutterschaf ein Gatter mit ihrem Körper aufdrückt und sich zu Nachbars Deichstück rüberstiehlt. Das Gatter geht nur in eine Richtung auf. „Tatti! Warte!", sage ich und steige ab. "Hast du das gesehen? Die kommt nie im Leben zurück zu ihren Lämmern. Was machen wir denn jetzt?“  Tatti guckt mich an und dann auf den Deich. "Meinst du, wir kriegen die irgendwie wieder zurück", frage ich.

 

Nun hält neben uns ein Radfahrer und sagt: „Die kriegt ihr nicht.“ Na toll, denke ich, das hilft uns auch nicht weiter. Und was mischt der der Typ sich überhaupt ein? Ich sage trotzdem einigermaßen nett, dass das doof ist, weil das Schaf nämlich zwei Lämmerlein hat. Das sieht man zwar, denn sie stehen verzweifelt an der anderen Seite des Zaunes, aber naja. "Die verhungern doch jetzt", ergänze ich. Der Typ erklärt, dass Lämmer dann einfach bei einer anderen Schafmutter trinken und dass Schafe das nicht so genau nehmen. Oh. Äh. Echt jetzt? Zum Glück. 

 

Inselauszeit Föhr

 

Nach einiger Zeit fahren wir über den Deich und durch Wiesen. Hier gibt es nur Himmel, Gras, Zäune und Wind und hier und da mal Schafe oder Modderlöcher mit Kühen und Vögeln. So macht Radfahren Spaß. Wir müssen auf nichts achten, nur in die Pedalen treten.

 

Irgendwann taucht das Ortsschild von Oldsum auf. Tatti hatte gerade schon angefangen, ein wenig zu nölen, kann scheinbar nicht mehr auf dem Fahrradsattel sitzen. In Oldsum ist Stellys Hüs, ein Friesencafé mit dem besten Kuchen der Insel. Und mit Kuchen kriegt man Tatti immer.

 

 

 

Stellys Hüs in Oldsum

 

Das Cafė ist in einem alten Friesenhaus mit Reetdach. Absperrbänder und Schilder weisen uns die Gehrichtung. Wir werden mit Mund-Nasen-Schutz durch das Café geführt, wieder hinaus in den niedlichen Cafégarten begleitet und dann zu unserem Tisch gebracht. Wenn mir das Jemand vor einem Jahr erzählt hätte, hätte ich mich totgelacht. Jetzt ist es aber kein Witz, sondern echt so und nervig, aber für Kuchen machen wir fast alles.

 

Am Tisch setzen wir den Mundschutz ab, tragen unsere Kontaktdaten auf einem Zettel ein und versuchen, Corona dann erstmal wieder zu vergessen. Die Tische stehen dieses Jahr weit auseinander und eine fröhliche Frau, die wir für die Betreiberin Stelly halten, sortiert die kommenden und gehenden Gäste mittels einer Einbahnstraßen-RegeIung.

 

Ich sitze in einem kleinen Korb-Thron, lehne mich gemütlich zurück und, huch, kann Tatti nicht mehr sehen. Wir müssen aber auch gar nicht reden, denn wir versinken schon bald in einem Traum von Apfelkuchen, warm, mit Vanilleeis, Sahne, Zimt und Eierlikör und vergessen alles um uns herum. Schon allein für diesen Kuchen sollten wir jedes Jahr mindestens einmal nach Föhr fahren, denke ich und sage es. Tatti findet das auch und wir beschließen, das zu tun. Das war ja einfach. Ich sag ja, dass man Tatti mit Kuchen immer kriegt.

 

 

Zurück beim Stellplatz hängen wir ab, beobachten Kühe und sind entspannt.

 

Wir reden nur wenig und es passiert auch nichts.

 

Dass wir sieben Tage an einem Ort bleiben müssen, ist eine Herausforderung für mich. Dänemark geht mir auch nicht aus dem Kopf. Bis eben hatte ich noch gehofft, dass Dänemark die Grenzen öffnen würde und wir weiterziehen könnten. Es tut sich aber nichts. Ich will mich deswegen jetzt nicht mehr stressen und beschließe, dass ich es gut finde, hier zu sein.