Morgens trete ich hinaus in die Sonne und freue mich über den blauen Himmel.
Ich mache ein Selfie mit Kuh und verabschiede mich dann von den Kühen und der Landwirtin und dem Landwirt.
Ich steige hoch ans Lenkrad, werfe lässig die Tür zu und starte den Motor.
Hier ist viel Platz zum Wenden!
Meine Stellplatznachbarn sehe ich im Wohnmobil hinter dem Fenster frühstücken. Ich hebe meine Hand zum Abschiedsgruß und bin richtig stolz, dass ich das Alleine-Unterwegssein irgendwie doch ganz gut hinbekomme. Die zwei winken zurück.
Moment mal. Ich gucke nochmal rüber.
Die winken ja gar nicht. Die fuchteln. Mit wilden Gesten zeigen sie unten auf mein Wohnmobil.
Was soll das? Ich überlege.
Oh Shit, mein Stromkabel! Es steckt ja noch im Wohnmobil und im Verteilerkaste!
Um ein Haar wäre ich so gestartet!
Also passiert so etwas wirklich!
Ich habe immer die Augen verdreht, wenn Leute das erzählt haben. Ich habe das nicht geglaubt!
Ich hielt das für so ein Wichtigtuer-Ding.
Kein Mensch fahre mit angeschlossenem Stromkabel los, habe ich superschlau verkündet. Man sehe den Stecker ja vom Fahrersitz aus im Seitenspiegel.
Jetzt weiß ich, dass es Ausnahmen gibt. Zum Beispiel. wenn man dadurch abgelenkt ist, dass man sich selber gerade so toll findet wie ich eben.
Ich steige verschämt grinsend nochmal aus, ziehe die Stecker, wickele alles auf und lege es in die Heckgarage.
So ein verdammter Mist!
Ich lache nochmal dumm rüber und bedanke mich.
Wie gerne wäre ich souverän rübergekommen!
Adios, Kühe, euch ist das egal, ne?!
Heute werde ich mir Stavoren, meinen nächsten Ort am Ostufer des Ijsselmeers ansehen.
Er liegt nördlich von Urk und Lemmer und wird wieder ganz anders sein.
Ich bin nach 22 Kilometern da und stoppe am Ortsanfang schonmal kurz, steige aus und finde all das Wasser schön!
Ich will unbedingt schnell einen Parkplatz finden und überall herumlaufen!
Ich durchfahre den Ort, komme erst am Yachthafen entlang, dann an Grachten und fahre schließlich durch den alten Ortsteil.
Ich sehe viele Brücken und Boote, süße Häuser und spüre die Weite des Ijsselmeers im Ort.
Stavoren lebt vom Boots-Tourismus.
Wo ich auch hinsehe, liegen Boote, kleine, große. neue, alte, auch ein sehr schönes Segelboot mit drei Masten.
Am nördlichen Ortsausgang fahre ich über eine urige Zugbrücke am alten Hafenbecken und biege rechts ab. Dort ist ein großer Besucherparkplatz.
Ich hebe mein Fahrrad vom Träger und lasse mich dann in aller Ruhe auf dem Rad durch Stavoren treiben.
Ich steige immer wieder ab, weil ich mir eine Brücke genauer ansehen will.
Oder ein Haus.
Oder einen ganzen Straßenzug.
Oder weil ich ein schönes Boot knipsen will.
Die Radrunde entwickelt sich zu einer Boot-Brücke-Boot-Brücke-Fototour.
Dann gehe ich noch auf den Deich und sehe den Segelbooten auf dem Ijjselmeer zu.
Anschließend schlendere ich durch einen riesigen neuen Hafen am südlichen Ortsrand mit Motor- und Segelyachten in allen Preisklassen.
Im Ortskern stöbere ich in schönen kleinen Geschäften.
Das Angebot ist echt klasse.
Ich entdecke hippe Klamotten und allerlei kleine Dinge, die man haben will.
Die Nachfrage durch Bootsliebhaber bestimmt das Angebot. Die Preise sind ok.
Vor einem Haus in der Hauptgracht - der Stadsgracht - entdecke ich einen Ständer mit in der Sonne funkelnden Blechkugeln, die sich flink im Wind drehen.
Das sind bunte Windspiele aus leeren Getränkedosen. Sieht man genau hin, kann man noch die Cola- und Eistee-Schriftzüge lesen.
Witzige Idee, die mal von einem Mann, der mit seinem Boot hier zu Besuch war, begonnen wurde.
Ich könnte mir für 5 Euro, die dem Museum zugute kommen würden, so ein Windspiel kaufen.
Bei dem ganzen Geglitzer und Gefunkel kann ich auch kaum widerstehen, aber Glitzer passt hier in den Hafen einfach besser als in unseren Garten.
Im alten Fischerei-Hafen gehe ich zu einem versteckten Platz an der Hafenausfahrt. Rechts und links von der Ausfahrt stehen urige Hafenlichter. Eines in Rot und eines in Grün.
Fischernetze hängen zum Trockner auf einer niedrigen Mauer.
Es gibt einen kleinen versteckten Strand für ein paar ungestörte Momente in der Sonne.
Zurück im alten Hafen sehe ich zwei Fischer vor ihrem Boot auf dem Steg sitzen und Kibbeling essen.
Au ja! Das mache ich auch!
Also hole ich mir beim Hafenkiosk Kibbeling mit Pommes und setze mich auf eine breite Holztreppe, die hinunter zum Wasser führt.
Beim Essen ziehen Schiffe an mir vorbei.
Und zwei Möwen stänkern rum.
Sie fliegen dicht über meinem Kopf hin und her, landen immer wieder neben mir und starren mich und meine Pommes an.
Haut ab!
Vorsichtshalber jalte ich beim Essen eine Hand über eine Pommes.
Am Ende lege ich ihnen Pommes hin und will ein Foto machen, wenn sie sie sie schnappen.
Beim ersten Versuch sind die Pommes weg bevor ich mein Handy in Position habe. Beim zweiten Mal bin ich schneller.
Von Stavoren aus entferne ich mich vom Ijsselmeer und fahre wieder Richtung Einsamkeit, nämlich zur friesischen Seenplatte Friese Meeren.
Ich muss wegen einer Baustelle und vieler Seen und Flüsse drumherum im großen Bogen zum Campingplatz fahren.
Nach 51 - anstatt 38 - Kilometern erreiche ich endlich über einen schnurgeraden Wiesenweg den Campingplatz Gouden Plakje bei Workum.
Es ist ein weitläufiges Wiesengelände außerhalb der Orte am Fluss Grons.
Ein netter Betreiber zeigt mir meinen reservierten Platz am Wasser.
Es ist nichts los. Ein paar kleine Gebäude stehen auf dem Gelände und weiter weg in großen Abständen einige Wohnwagen, die momentan nicht bewohnt sind.
Während der Mann mir sagt, dass in dem Gebäude hinter mir die Duschen sind, stelle ich mir die kommende Nacht vor, alleine hier draußen, weitab von jeglicher Menschenseele. Das ist gruselig!
Wohnt hier noch irgendwo Jemand auf dem Gelände, frage ich und halte kurz die Luft an.
Neben dir hat Grootvader sein Häuschen, antwortet er, zeigt dabei auf eine grüne Wand mit gekipptem Fenster und lacht.
Hast du Angst? fragt er weiter lachend.
Ach ja, stimmt ja, Holländer sagen ja meistens gleich, was sie über einen denken.
Ich nicke.
Ich wohne auch hier, gleich da, ergänzt er und zeigt auf das Gebäude hinter mir. Puh, zum Glück! Ich atme wieder entspannt.
Ich richte mich neben Grootvader ein. Vom Bett aus neigt sich mein Zuhause. Ich muss bergab zum Tisch gehen.
Ok, ich sollte auf Auffahrkeile fahren. Mir fällt auf, dass Niemand draußen Handzeichen geben kann wie sonst.
Ich tu so, als wenn ich das immer alleine mache.
Beim Hochfahren verlasse ich mich auf mein Gefühl.
Und es funktioniert!
Dann trinke ich stolz einen Kaffee mit Stroopwafel in der Sonne. Es ist sehr still hier.
Und wieder nehme ich alles viel bewusster wahr, als wenn wir zu zweit unterwegs sind.
Ab und zu kommt ein Boot vorbei.
Man kann mit dem Boot von hier aus die ganze Gegend bis zum Ijsselmeer erkunden. Die Wasserwege und Seen sind alle miteinander verbunden.
Aber auch zum Radfahren am Wasser entlang ist der Campingplatz ein perfekter Ausgangsort mit vielen Brücken mitten in der friesischen Seenplatte.
Ich starte recht bald mit dem Rad Richtung Workum.
Dafür muss ich mit einer kleinen elektrischen Fahrradfähre ans andere Flussufer.
Ich orientiere mich dann an kleinen Pfeilen mit Zahlen, dem Orientierungssystem Fietsknoop.nl.
Nummer 6 und Nummer 4 leiten mich 4 Kilometer lang nach Workum.
Orientiert hatte ich mich zuvor in meiner App von fietsknoop.nl. Das ist eine super Sache, um die ruhigen Fahrradwege fernab der Straßen zu fahren.
Ich schiebe mein Rad durch die Innenstadt, in der es einige Geschäfte und einen Platz mit Caféterrassen gibt.
Der Altstadtkern ist hübsch anzusehen mit Treppengiebeln, schweren hölzernen Haustüren mit Verzierungen und cremefarbenen Holzfenstern mit dunkelgrünen Fensterläden.
Workum liegt zwischen Ijsselmeer und friesischer Seenplatte.
Dann radle ich zu einer alten Schleuse neben einer Schiffszimmerwerft, die alte Boote restauriert.
In der Nebensaison macht meine kleine Fahrradfähre, die mich zurück zum Campingplatz bringen soll, früher Feierabend. Das darf ich nicht verpassen!
Ich hole mir in einer kleinen Gasse einen Biowein und rufe abends per Videochat eine Freundin zuhause an und genieße mit ihr und dem Biowein den schönen Abendhimmel, der sich im Fluss Grons spiegelt.