Girona anstatt Hochpyrenäen
Beim Frühstück regnet es und wir überlegen, was wir jetzt machen.
Eigentlich wollten wir nun in die Hochpyrenäen fahren. Aber jetzt ist das Wetter in den höheren Lagen einfach zu schlecht und wird auch nicht besser in den nächsten Tagen. Sehr schade. Aber es macht bei der Kälte und im Regen einfach keinen Spaß.
Ich ahnte sowas schon und hatte vorher lange überlegt, ob wir mit den wunderschönen Tälern da oben anfangen sollten, aber vor zwei Wochen war das Wetter dort auch nicht gut.
Wir entscheiden uns gegen die Kälte und für Girona. Das hatten wir auf dem Herweg ausgelassen, aber jetzt haben wir Lust darauf.
Nach Girona sind es dreihundertsechzehn Kilometer. Und es liegt auf unserer Strecke gen Heimat. Es ist auch immer ganz schön, wenn die Heimreisestrecke sich Stück für Stück verkürzt.
Camper Area Girona Vayreda
Nach dreieinhalb Stunden erreichen wir den Wohnmobilstellplatz Àrea autocaravanes Girona am Stadtrand von Girona, der uns überhaupt nicht zusagt. Es ist ein großer Platz an einer vielbefahrenen Straße.
Wir fahren zum nächsten Stellplatz in der Innenstadt, dem Wohnmobilstellplatz Camper Area Girona Vayreda. Es sieht aus wie ein Parkdeck, ist aber völlig ok. Irgendwie hat das Charme.
Wir machen uns ein wenig stadtfein und marschieren los in die City. In wenigen Minuten sind wir in der Innenstadt. Gironas Innenstadt begrüßt uns nett und beschaulich.
Es ist eine tolle Stadt mit schönen Bars, Restaurants und Geschäften in einem filmreifen Ambiente. Ne, die Stadt ist nicht nur toll, sondern richtig richtig richtig toll!
Ich werde danach noch oft ins Schwärmen geraten, wenn ich zurückdenke an Girona.
Ich fühle mich einfach gleich total wohl hier.
Die Innenstadt wird durch den Fluss Onyar in zwei Hälften geteilt, die eine Seite wirkt Wienerisch mit einem großen Platz und offenen Arkadengängen, die andere wie eine Mischung aus dem Innenhof von Romeo und Julia in Verona und den Gassen auf dem Montmartre in Paris.
Und hier kommt noch was Spanisches dazu und so ein sportlicher Vibe, weil es bei Radsportlern sehr beliebt ist.
Wir lassen uns treiben und trinken bei La Fábrica, einem bekannten Treffpunkt für Radfahrer, unseren Kaffee und essen bunten Kuchen.
Girona ist als Trainingsstadt beliebt bei Profi-Radsportlern, weil die Umgebung ideal zum trainieren ist. Und ich denke wieder, wie schön es hier ist. Und um ein Haar hätte ich Girona niemals kennengelernt. Wir sind ja nur hier, weil es oben in den Pyrenéen schon so kalt und regnerisch ist.
Wir lassen uns durch die Straßen treiben, schauen in die engen Gassen, bestaunen die alten Gebäude und ich finde die vielen Treppen ganz entzückend.
Ich kaufe ein Girona-Magnet und ich frage in dem Laden, wo man auf die Stadtmauer gehen kann. Der junge katalanische Verkäufer schenkt mir einen Stadtplan und weist mit dem Finger auf die schönste Stelle auf der Stadtmauer.
Ich gehe in die Kathedrale Santa Maria, schaue mir alles in Ruhe an und bestaune anschließend mit Tatti zusammen die gewaltige Treppe, die weit hoch zum Vorplatz der Kathedrale führt. Die Kathedrale ist von überallher zu sehen. Sie steht hoch oben auf dem Stadthang. Die Altstadt ist terrassenförmig am Ufer des Flusses Onar angelegt.
Dann gehe ich ein Stück weiter in die Kirche Sant Feliu. Dort komme ich zur Ruhe und nehme mir viel Zeit, alles anzusehen und im Moment zu sein.
Dann gehen wir weiter um die Kathedrale herum zur Stadtmauer.
Ein Stück weiter gehen wir über eine rote Eisenbrücke Pont de les Peixateries Velles zurück ans andere Ufer des Flusses Onyar.
Die Brücke wurde 1876 von Gustaf Eiffel gebaut.
Sie ist sehenswert und zusammen mit den farbigen Häusern am Ufer ist sie ein beliebter Fotospot. Wir verlassen über die Brücke die Altstadt und kommen am anderen Ufer in einen neueren Stadtteil Gironas.
Dort hole ich mir beim 3-Sterne-Koch Roca ein Eis zum Dahinschmelzen.
Auch an diesem Ufer gibt es viel zu sehen, den großen rechteckigen Plaça de la Independència mit vielen Restaurants und Cafés und mit Arcadengang zum Beispiel. Der Platz wirkt elegant, mit einem freistehenden Kiosk, zu dem mir gleich lauter schöne Liebesgeschichten, die sich dort abspielen könnten, einfallen.
Zurück auf dem Stellplatz tauschen wir uns mit einigen anderen Campern über die Dieselknappheit in Frankreich aus. Einige sind durch Frankreich hergekommen und raten uns, vorher vollzutanken und dann bei jeder Gelegenheit nachzutanken. Wir hatten in den Nachrichten von einem Deutschen gehört, der wegen der Dieselknappheit in Frankreich festhing. Auch wir werden es mit einer einzigen spanischen Tankfüllung nicht bis zur deutschen Grenze schaffen.
Es ist schön, mit den anderen Campern auf einem Parkdeck-Stellplatz mitten in einer der schönsten Städte, die ich kenne, ins Quatschen zu kommen. Das ist sehr bunt und vielfältig. Manches ist lustig. Manches ist tiefgründig. Und alles zusammen fühlt sich echt an. Wie das Leben eben so ist. Und vor allem gibt es bei diesen Wohnmobilisten hier gerade nur nette. Hat man ja auch nicht immer.
Eine Frau aus Berlin setzt sich zu uns und wir reden über Scheidung, das Wetter in Andalusien, die Eigenarten der Jack Russel Terrier, das Alleinreisen und noch mehr. Wir sind uns einig, dass Girona eine megacoole Stadt ist.
Die Berlinerin macht immer hier ihren Zwischenstopp, wenn sie zum Surfen nach Tarifa fährt. Girona als Zwischenstopp will ich ab jetzt auch immer. Sehr gute Tradition. Mal sehen, ob wir hier nochmal vorbei kommen werden. Hoffentlich!
Unser Weg hat sich heute hier mit all diesen Menschen, die aus allen möglichen Richtungen und von weit her kommen und morgen früh wieder sternförmig auseinanderdriften, gekreuzt. Das ist zwar nur ein Moment, eine Nacht irgendwo in Europa mit irgendwelchen Campern.
Für mich ist es gerade etwas mehr als das. Ich empfinde es als besonders, dass so viele Menschen, die das Unterwegssein ebenso wie ich lieben und es auch leben, an einem klitzekleinen Punkt in Europa aufeinandertreffen und für den Moment stehen bleiben, etwas gemeinsam haben, nämlich hier zu übernachten.
Und ich darf auch mit dabei sein. Klingt irgendwie komisch. Ich kann es nicht besser beschreiben, wie mich der Moment berührt. Auf bestimmten Wohnmobilplätzen ist es wie in einer anderen Welt.