Über die Pyrenäen am Meer entlang nach Katalonien
Morgens trinken wir recht früh unseren Kaffee und machen alles startklar. Wir fahren den Pyrenäen ohne Frühstück entgegen und ich finde es total aufregend, dass wir gleich in eine Gegend, nämlich die Pyrenäen, hineinfahren, die es für mich bisher nur in meinem Diercke Weltatlas gab.
Wenn wir einen schönen Haltespot entdecken, werden wir dort frühstücken.
Die Straße führt uns kurvig hoch in die Berge, vorbei an viel Grün und Weinstöcken. Immer wieder eröffnen sich Panoramen auf das Meer links neben uns und die Felsenküste entlang der kurvigen Straße der Côte Vermeille.
Wir passieren eine Handvoll quirliger Küstenorte mit bunten Häuserfassaden, die sich in den windgeschützten Buchten am Fuße des Alberès-Massivs befinden.
In den Orten stehen die Häuser dicht an dicht am Berghang und die Bewohner können über Strände oder Häfen hinweg weit hinaus auf das Meer schauen. Vielleicht sitzt ja hinter einem der Fenster Jemand an einem kleinen Schreibtisch und schreibt ein Buch. Würde ich machen, wenn ich hier wohnen würde. Wundervolle Vorstellung!
Port-Vendres
In Port-Vendres entdecken wir einen großen und recht leeren Parkplatz am Hafen. "Oh, wie praktisch", sage ich, "lass uns hier frühstücken!" Wir parken dort und laufen erst ein wenig herum, um den schönen Hafen auf uns wirken zu lassen.
In den Straßencafés ist nur ein Teil der Tische belegt. Ich mache Fotos und wir gehen zurück zum Wohnmobil. Dann sehen wir aber auf einem Schild, dass der Parkplatz für Wohnmobile verboten ist. Hm.
Wenn wir Pech haben, kommt die Polizei vorbei. Und dann könnte es ungemütlich werden am Frühstückstisch. Also starten wir wieder und wollen weiter Ausschau nach einem anderen Frühstücksplatz halten.
Es ist wie immer spannend, mit welchem Ausblick wir wohl (möglichst bald) unsere französischen Croissants frühstücken werden.
Der Blick auf den Golf du Lion ist wunderschön. Kurz vor den
Küstenorten führt die Küstenstraße hinunter ans Wasser und durch die Orte hindurch. Da ist es bunt und quirlig und Menschen sitzen draußen auf den Terrassen an unserer Durchgangsstraße. In
einem dieser Küstenorte hier würde ich auch einen Sommer verbringen wollen. Sieht alles so aus, als wenn man hier sehr zufrieden sein
kann.
Jetzt im Herbst ist die Straße angenehm leer. Nur in den Küstenorten ist ein bisschen mehr Verkehr und Leben. Nach jedem Ort führt die Straße wieder bergauf, immer mit Blick auf das blaue Meer.
Oberhalb der zerklüfteten Küste bei Banyuls-sur-Mer finden wir einen kleinen Kiesplatz direkt an einer Steilküste. Tatti stellt den Motor aus und ich stehe auch schon draußen.
Wow! Was für ein erstklassiger Logenplatz zum Frühstücken! Ich gehe dreimal um das Wohnmobil herum, schaue in alle Richtungen, atme tief ein, heule fast vor Glück, setzte dann Wasser für Kaffee auf und decke den Frühstückstisch. Ich beobachte nebenbei Tatti, wie sie da draußen steht und aufs Meer schaut.
Cap Cerbère
Unser nächster Stopp ist am Cap Cerbère beim letzten französischen Leuchtturm vor der spanischen Grenze.
Vom Cap Cerbère können wir hinunter auf den Ort Cerbère und rundherum auf das Meer schauen.
Hier oben beim Leuchtturm auf der Landzunge hoch über dem Meer ist es sehr schön. Die Atmosphäre wirkt auf mich freundlich und entspannend, nicht nur wegen der halbrunden Holzterrasse mit Bank vorm Leuchtturm, sondern auch wegen der Weite und Leere hier oben.
Den Leuchtturm selber finde ich nicht so schön. Die Idee beim Bau 1982 soll es gewesen sein, dass er sich mit seinen dunklen Steinen an die Umgebung anpasst. Ah ja. Ok, gut.
Hier in der Gegend gibt es einige Wanderrouten. Ein zweiunddreißig Kilometer langer Küstenwanderweg führt zum Beispiel von Argelès-sur-Mer hierher, also quasi parallel zu der Strecke, die wir gerade über die Pyrenäen hergefahren sind, immer schön bergauf.
Kurz vor der katalanischen Küstenstadt Portbou passieren wir oben in den Bergen die Landesgrenze nach Spanien, markiert durch ein einfaches Schild.
Jetzt sind wie in Katalonien, dem Teil Spaniens, der sich in seiner Geschichte seit jeher gerne als eigenständig betrachtet. Diesen Wunsch nach Unabhängigkeit werden wir während unserer Grand Tour de Catalunya noch häufiger in Form einer gelben Schleife zu Gesicht bekommen.
Portbou
Der Blick von hier oben auf unsere erste katalanische Stadt Portbou und die davor liegende Bucht, eingebettet in Berge ist auf jeden Fall schonmal der Knaller! Unten im Ort wollen wir parken, finden aber die Zufahrt zum einzigen für Wohnmobile geeigneten Parkplatz am Hafen nicht, landen in zu engen Gassen und dann in falscher Richtung wieder auf der Hauptstraße.
Wir können nicht wenden und müssen schließlich den gleichen Weg, den wir gekommen sind, wieder raus aus Portbou und den Berg wieder hoch.
Tatti flucht. Insgeheim freue ich mich darüber, dass wir hier nun nochmal entlang kommen. Ich kann nämlich jetzt vom Beifahrersitz aus viel bessere Fotos machen.
Uups, jetzt sind wir plötzlich wieder in Frankreich. Hinter der Grenze können wir endlich wenden.
Wir haben keine Lust auf Parkplatz-Stress und verzichten deswegen auf einen längeren Aufenthalt in Portbou, durchfahren es und geben das Cap de Creus als unser nächstes katalanisches Ziel ins Navi ein.
El Port de la Selva
Zu Beginn der Halbinsel liegt die Stadt El Port de la Selva an einer großen Bucht mit langem Strand. Am Ortseingang weist ein kleines Schild rechts den Berg hoch zum ehemaligen Benediktinerkloster Sant Pere de Rodes. "Guck mal, nur sechs Kilometer", sage ich und zeige darauf. "Das ist cool da! Echt! Das weiß ich. Wollen wir? Es ist erst zwölf." Tatti will, bremst, wendet und schon sind wir auf dem Weg zum Kloster.
Es ist eine gut ausgebaute in vielen Kurven nach oben führende Straße. Der Blick zurück auf die Bucht wird von Kurve zu Kurve spektakulärer. Tatti vertraut mir, denn sie weiß inzwischen, dass ich eine Spürnase für Spots habe, die uns beide interessieren. Und sie weiß auch, dass ich vorher vernünftig checke, wie das mit dem Parken ist. Das war nicht immer so harmonisch mit ihr und meinen spontanen Ideen.
Früher hat sie sich viel mehr gesträubt. Sie war der Meinung, dass Planänderungen prinzipiell was Schlechtes sind und nur Stress dabei herauskommt. Früher war auch tatsächlich plötzlich eine Durchfahrt zu schmal und es gab kein Zurück, eine Unterführung zu niedrig oder wir landeten in kleinen Altstadtstraßen, die nicht für Kastenwagen geeignet waren. Das hat jede Nerven gekostet. Inzwischen achte ich besser auf diese Dinge.
Kloster Sant Pere de Rodes
Ich liebe die Freiheit, spontanen Ideen nachgehen zu können, so sehr! Auch bin ich froh, dass Tatti das inzwischen mitmacht. Wir finden einen Parkplatz auf einer Anhöhe und gehen einen langen breiten Fußweg hoch zur Burg.
Tatti wartet mit Hannes draußen und ich schaue mir den Innenhof, die alten Räume, Treppen, Türme, dunkle Keller und eine interessante Ausstellung eines Kunstprojektes an.
Da haben Kinder erst die Farben verteilt und darauf die Konturen der Klostermauern und -türme mit einem schwarzen Stift skizziert.
Ich nehme mir vor, das auch mal auszuprobieren.
Und der Rundumblick von hier oben ist grandios. In weiter Ferne kann ich unser Mini-Wohnmobil auf der Anhöhe und weit dahinter die Bucht, von der wir gekommen sind, sehen.
Campingplatz L´Arola in El Port de la Selva
Anschließend fahren wir den Berg wieder hinunter und fahren am Ortseingang steil auf das Meer zu. Dort entdecken wir unterhalb der Straße einen Platz, auf dem eine Reihe Wohnmobile direkt am Wasser stehen. Unser beider Blicke fallen gleichzeitig auf eine freie Lücke zwischen den Mobilen. Wir gucken uns an, fackeln nicht lange und schon fahren wir hinunter zum Ufer.
Es ist der Campingplatz L´Arola. Er wird in keiner meiner Apps als im Oktober noch geöffnet geführt. Eine Frau kommt auf uns zu. Und die einladende Lücke direkt am Wasser ist noch zu haben, juhuu!
Also einparken, Strom anschließen, kurze Hosen an, Campingmöbel raus in die Sonne, schneller Kaffee, und zu Fuß ins Dorf.
Wir schlendern am Strand entlang zwischen den Booten bis zum Ende der Bucht und zurück.
Danach chillen wir in der Sonne. So soll es sein. Treiben lassen. Bleiben. Weiterziehen. Nichts müssen. Alles können. Die ganze Welt ist unser Zuhause. Das Leben ist schön.