Heute Morgen scheint die Sonne und alles sieht gleich viel freundlicher aus.
Wir könnten mit dem Campingshuttle zur Bahn nach Zagreb gebracht werden. Aber ein Mitarbeiter an der Rezeption zeigt uns auf dem Stadtplan einen großen Parkplatz beim Hauptbahnhof, auf dem auch längere Wohnmobile parken können. Selber zu fahren, ist uns sympathischer als mit dem Shuttle und der Bahn. So können wir anschließend gleich weiterfahren und sparen uns den Schlenker zurück.
Der Preis für die Nacht auf dem Camp Zagreb mit zwei Personen ist mit 31,12 € für einen Stadtcamping total ok. Hunde kosten nichts. Und die Duschen und Toiletten sind prima. Ich weiß gerade nicht, ob ich es verraten darf, aber Susi dachte erst, dass der Schacht für die Chemieklo-Entsorgung das WC ist. "Ne, hier geh´ ich ganz sicher nicht aufs Klo. Echt nicht!" hat sie empört und angeekelt beim Rundgang zu Tatti gesagt. Tatti hat erst gar nicht verstanden, was sie meint. Und dann hat Tatti sich nicht mehr eingekriegt vor Lachen. Hoffentlich denke ich daran, Susi noch zu fragen, ob ich ihren charmanten kleinen Irrtum so stehen lassen darf.
Ganz entspannt nach Zagreb
Gut zwanzig Minuten brauchen wir vom Campingplatz zum Parkplatz Paromlinska hinter dem Bahnhof in Zagreb. Das Verkehrsgeschehen in der kroatischen Hauptstadt ist überschaubar und superentspannt.
Wir parken vor einer Ruine und zwei junge Kroatinnen helfen uns beim Parkautomaten, an dem wir diverse Buttons drücken und unser Kennzeichen eingeben müssen.
Das Parken kostet ungelogen nur 1,50 € für den ganzen Tag. So machen City-Trips Spaß!
Lange Alleen und prunkvolle Gebäude in der Donji Grad (Unterstadt)
Wir verriegeln alles und gehen durch das Bahnhofsgebäude hindurch auf die andere Seite der Bahngleise zur Innenstadt.
Unser Rundgang beginnt in der Unterstadt Donji Grad. Sie ist eben, großzügig und nicht ganz so alt wie die Oberstadt. Lange breite Straßen, ausgedehnte Parks und prunkvolle Bauten wie der Kunstpavillon und die Akademie der Wissenschaften und Künste säumen unseren Weg.
Zagreber Haupttreffpunkt zwischen Ober- und Unterstadt - der Ban-Jalčić-Platz
Auf dem Ban-Jalčić-Platz angekommen, donnert uns die Straßenbahn erstmal fast über die Füße. Als ich mich an den Trubel gewöhnt habe, nehme ich an der gegenüberliegenden Platzseite eine fröhlich bunte Häuserfront und ein Reiterdenkmal wahr.
Das hier fühlt sich schon sehr nach dem echten Zagreb an! Nach Großstadt! Nach Leben! Der Ban-Jalčić-Platz ist einer der Hauptplätze im Herzen der Stadt.
Wir überqueren den Platz und gehen Treppen hoch zum dahinter liegenden Dolac-Markt. Hier beginnt die Oberstadt mit ihren kleinen ansteigenden Gassen.
Markttreiben auf dem Dolac-Markt
Auf dem Dolac-Markt werden seit 1926 unter roten Schirmen und auch unterirdisch tagtäglich Obst, Gemüse, Blumen, Honig, Wein, Fisch, Fleisch und Olivenöl verkauft.
Das Miteinander zwischen den Ständen wirkt so vertraut, dass ich als Nicht-Zagreberin gar nicht stören mag. Der Platz hier mit all seinen angepriesenen Lebensmitteln wird auch als Bauch der Stadt bezeichnet.
Und dann schaue ich hoch und sehe ich es auch schon, das erste Übel des heutigen Tages (abgesehen vom grauen Wetter): Die beiden Türme der Kathedrale von Zagreb, die in der Ferne in den Himmel ragen, verschwinden hinter einem Baugerüst! Na toll!
Ausgerechnet die Kathedrale! Sie ist nationales Kulturgut, eines der höchsten Gebäude Kroatiens und eines der sehenswertesten und fotogensten Spots Zagrebs. Und versteckt sich, wie gesagt, für uns heute also.
Vom Markt gehen wir durch eine enge Gasse zur historischen Ivana Tkalćićeva-Straße, die heute die Straße der beliebtesten Cafės und Restaurants ist.
Hier ist richtig was los! Man sieht Touristen aus verschiedenen Ländern und Einheimische, junge Menschen und Familien ebenso wie ältere Menschen. Bis zum zweiten Weltkrieg waren in den Häusern Bordelle.
Die zwei- bis dreistöckigen Gebäude aus dem 18. und 19. Jahrhundert reihen sich dicht aneineinander, ebenso Tische und Stühle.
Eigentlich ist hier irgendwo eine Cookie Factory, die man sich nicht entgehen lassen sollte. Aber uns ist diese Straße zu voll und wir wollen nicht danach suchen, sondern schnell wieder weg.
Gebäck zum Niederknien in der Cookie Factory
Dann entdecken wir das Schild der Cookie Factory doch noch. Jetzt sind wir ja schonmal hier, sollten also auch einkehren.
Also frühstücken wir ausnahmsweise mal Kuchen. Und wir bereuen anschließend nichts. Denn die süßen Verführungen sind allesamt zum Niederknien und auf jeden Fall jede Kalorie wert.
Und wenn man erstmal an einem der Tische sitzt, hat der Trubel sogar etwas sehr Unterhaltsames und stresst uns auch gar nicht mehr.
Für die Tkalćićeva-Straße braucht man also ein paar Eingewöhnungsminuten. Und ein Stück Kuchen von der Cookie Factory.
Bewegende Momente in der Gornji Grad (Oberstadt)
Danach schlendern wir durch die Gradica Ulicva und suchen den Eingang zu einem alten Fußgängertunnel, den Grič-Tunnel, der im 2.Weltkrieg errichtet wurde und im Jugoslawienkrieg als Schutz diente. Aber wir finden ihn beim besten Willen nicht, schauen uns dafür in ein paar kleinen Läden um und ziehen weiter.
Susi möchte gerne Trüffel mitnehmen, aber frische, und hier gibt es nur Trüffel in allen möglichen verarbeiteten Variationen.
Über der schönen alten Kulisse der Oberstadt ragt ein Hochhaus der Unterstadt empor. Leider. Na ja, ist eben so. Man hat dort von der obersten Etage einen Rundum-Blick über Zagreb.
Ist eigentlich ganz cool, denn dann sieht man das Hochhaus selber ja wenigstens nicht. Aber wir gehen da nicht hin, sind jetzt ja hier und ich will noch auf einen alten Turm.
Steinernes Tor Karmenita-Vrata
Nun gehen wir unter einem alten Stadttor hindurch. Im Durchgang stehen Menschen vor einem Marienbild. Kerzenlicht erhellt den Raum.
Auf einem halbhohen Eisenregal stehen unzählige brennende Kerzen dicht an dicht. Die Flammen flackern im Zugwind. Flüssiges Kerzenwachs tropft in Behälter unter dem Gestell. Zwei alte gebückte Frauen schaben es zusammen und transportieren es unermüdlich in schweren Eimern ab.
In einem kleinen Nebenraum bietet eine der Frauen Heiligenbildchen, Rosenkränze und Kerzen zum Kauf an. An den Wänden befinden sich zahlreiche Tafeln, auf denen Dankbarkeit und die eine oder andere Bitte Platz findet.
Hier drüber hat es 1731 in einer Wohnung gebrannt und die Bewohnerin hat das Marienbild später unversehrt in der Asche gefunden und daraufhin diese Stätte eingerichtet. Seit 1992 gilt die Maria vom steinernen Tor als Zagrebs Schutzpatronin und beim Erdbeben 2020 blieb das Tor dann auch noch völlig unversehrt.
Und nun bin ich also zufällig in dieser kleinen heiligen Stätte gestrandet. Ich kaufe eine Kerze und zünde sie an und bin mit den in sich gekehrten Menschen zusammen ebenso in mich gekehrt wie sie.
Und der Stern auf dem Dach soll Hexen daran hindern, mit ihren Besen zu landen. Putzige Ideen haben die Leute hier.
Markuskirche
Wir schlendern weiter über die kopsteingepflasterten Straßen der Gornji Grad (Oberstadt) und kommen zum Platz vor der Markuskirche.
Und da entdecke ich sie auch schon, die Kirche mit dem bunten Dach, auf dem die Wappen von Kroatien und von Zagreb abgebildet sind. Ich hatte die Markuskirche mit dem speziellen Dach vorher im Reiseführer gesehen und finde das so schön, dass ich schon alleine deswegen mal nach Zagreb wollte.
Aber wie soll es sein? Auch hier wird gerade renoviert und der Platz vor der Kirche ist gesperrt und die Kirche versteckt sich hinter Baugerüsten.
Mist, verflixter! Aber man gönnt uns wenigstens einen Blick auf das markante Dach.
Der Markusplatz mit dem angrenzenden Regierungsbgebäude und die Baustelle werden polizeilich bewacht. Man sagt, dass es die am strengsten bewachte Baustelle der Welt ist. Mist! Mist! Mist! Ich hatte mich so sehr auf die hübsche Markuskirche gefreut!
Lotrščcak-Turm
Wir gehen an der Absperrung entlang und biegen dann in die Straße hinunter zum Lotrščcak-Turm ein. Auf dem Weg dorthin passieren wir das Museum für zerbrochene Beziehungen.
Davor drängen sich die Menschen und man kann durch die geöffneten Fenster in die Ausstellungsräume schauen. An den Wänden hängen Zeugnisse schmerzvoller Trennungen und Geschichten verlorener Lieben. Ich finde das merkwürdig touristisch und bin irgendwie der Meinung, dass man dafür nicht nach Zagreb fahren muss.
Ein Stück weiter steht der Lotrščcak-Turm. Ich schaue daran hoch und sehe oben Menschen stehen. "Ich gehe auf den Turm"; sage ich. "Ok, und ich ins Museum", sagt Susi. "Echt jetzt?", gucke ich sie an. Ja, echt, sie will wirklich ins Herzschmerz-Museum. Und Tatti wartet mit Hannes an der Häuserecke dazwischen.
Ich gehe an einem sitzenden musizierenden Ehepaar vorbei Richtung Turm und freundliche Gitarrenklänge begleiten meine Schritte über das alte Pflaster.
Vor mir am Ende der Straße steht ein altmodischer Souvenir-Stand mit jenen roten Lictar-Herzen, die wir schon bei Tito gesehen haben. Es scheint ein typisch kroatisches Symbol zu sein. Hinter dem Kiosk kann man über die Dächer der Unterstadt hinweg in die Ferne schauen.
Vorm Kiosk biege ich rechts ab, verschwinde auch schon im Turm und kaufe ein Ticket und eine schöne gemalte Karte von der bunten Häuserreihe am Ban-Jalčić-Platz.
Unten an der Treppe hängt an Schild, auf dem die Besucher gebeten werden, nicht die Glocken zu läuten. Das Tau hängt einem aber auch wirklich verführerisch vor der Nase. Ich muss lächeln und steige über eine dunkle Holztreppe nach oben.
Beim Hochsteigen denke ich, dass das Schild am Tau der Glocken einen erst recht reizt. Mich auf jeden Fall.
Oben trete ich auf eine Balustrade, die einmal um die Turmspitze geht und bin überwältigt von einem tollen Blick über die Dächer.
Man kann hier oben um den Turm herumgehen. Ich habe einen wundervollen 360 Grad Blick, schaue erst auf die Prachtbauten der Unterstadt und entdecke unter mir zwei blaue Waggons einer Standseilbahn, die auf einer sehr kurzen Wegstrecke hoch zum Turm kommen.
Auf der anderen Seite betrachte ich eine Weile die Gassen der Oberstadt mit dem bunten Dach der Markuskirche und weiter rechts die zwei dunkel eingepackten Türme der Kathedrale.
Um 12 Uhr gibt es hier täglich einen Kanonenknall aus dem Turm. Es ist aber halb eins und nichts passiert mehr. Ich sag ja, verhexter Tag. Für Hannes´ feines Hundegehör ist es allerdings sehr gut, dass wir zu spät sind.
Um zwölf findet normalerweise auch ein Wachwechsel vor der Markuskirche statt, den ich von hier oben wunderbar hätte beobachten können. Aber jetzt ist da ja sowieso eine Baustelle. Hm. Ach, egal jetzt.
Den kleinen Gebirgszug im Hintergrund, die Medvednica, kann ich hinter dem Dunst auch nur erahnen. Die Stadt wirkt von hier oben auch ohne die touristischen Zwölf-Uhr-Attraktionen ziemlich schön. Oder vielleicht gerade deswegen so schön ruhig und entspannt.
Street Art im Park Opatovina
Ich steige die Holztreppe wieder hinunter und treffe unten auf dem Platz beim Museum auf eine verklärt dreinschauende Susi, die offensichtlich erstmal all die Liebesgeschichten in ihrem Kopf sortieren muss. Und Tatti musste kleine Touristengrüppchen fotografieren. So, jetzt aber auf zur Straßenkunst!
Also starten wir durch zur Stadtparksuche.
Und zwar habe ich mir von einem jungen Zagreber am Turm-Ticketschalter zwei Parks mit den coolsten Street-Art-Bildern auf dem Stadtplan zeigen lassen. Nach meinem Reiseführer hätten wir einen ganz anderen Park aufgesucht.
Im kleinen Park Opatovina treten wir ein in eine grüne Ruheoase inmitten des Trubels mit beeindruckenden Bildern an den Wänden.
An einer der Wände liegt ein riesiger gefesselter Gulliver auf dem Rücken. Die Künstler wollen mit ihrem Bild, das sie "Gulliver und die Liliputaner" nennen, unsere kleinen und großen Lebensabenteuer ehren. Ganz schön beeindruckend, der Riese, der da liegt! Und echt gut, Lebensabenteuer ehren zu wollen! Ehre, wem Ehre gebührt! Ein Hoch auf alle kleinen und großen Abenteuer! Von uns allen! Auch auf Reiseabenteuer! Die Reiseblog-Lilly in mir fühlt sich sehr verstanden. Und Susi macht dieser kleine Park auch happy, denn an fast jeder Wand um uns herum sind ultracoole Bilder!
Park Ribnjak
Der nächste Park, der Ribnjak, ist riesig. Meine Füße tun weh und wir müssen die Graffitis erst suchen. Sind schon echt faszinierend, die Bilder! Aber der Park ist gerade eindeutig zu groß.
Noch faszinierender finde ich übrigens unsere liebe Susi, die für gute Fotos unerschrocken und mit müden Beinen am Hang im Gestrüpp herumkraxelt.
Derweil sitzen Tatti und ich erschöpft auf einer Parkbank und teilen uns die Trinkreste bei einem Bild einer Cocktail trinkenden älteren Kroatin mit Palmen und Melonen auf dem Kopftuch.
Freshe Idee vom Künstler, Traditionen so ins Hier und Heute zu holen!
Kathedrale von Zagreb
Erfüllt von dieser lässigen und angenehm unaufdringlichen Stadt, die unseren deutschen Städten auf der einen Seite irgendwie ähnelt und gleichzeitig einen baltisch-ungarisch-österreichischen Vibe hat, trollen wir uns gemütlich wieder zurück Richtung Bahnhof.
Als wir die Kathedrale passieren, gebe ich nochmal alles für ein gutes Foto der beiden Türme trotz Baugerüst.
Aber selbst die goldene Jungfrau Maria, die auf einer Säule mitten auf dem Vorplatz über den Dingen steht, kann da leider nichts mehr reißen.
Der rechte Turm war bei einem Erdbeben vor drei Jahren abgebrochen, steht nun aber immerhin wieder. Und so ein heftiges Erdbeben kann man ja schließlich nicht einfach wegdenken aus einer Stadt. Und darum habe ich jetzt auch Frieden mit dem Gerüst auf meinem Foto. Das ist eben Zagreb, wie es ist.
Beim Pfannkuchenhaus Nuttelino Bar fragen wir uns, ob die Löcher in den Wänden Einschusslöcher vom Angriff auf Zagreb sind.
Wir gehen am Karla Tomislavaplatz entlang zurück zum Bahnhof, schauen noch einmal zurück auf den imposanten Kunstpavillon und gehen mit dem Strom der Zugreisenden durch das Bahnhofsgebäude zur Rückseite des Bahnhofs und wollen zu unserem Parkplatz.
Im Bahnhofsgebäude kaufe ich Gebäckstücke und werde beim Kauf freundlich von einer eleganten älteren Dame mit rotem Lippenstift, die hinter mir steht, unterstützt. Sie spricht wienerisch mit mir und gibt der Verkäuferin hinter dem Tresen kroatische Anweisungen. Ich schaue unauffällig an ihrem eleganten Kostüm und ihrer teuren Handtasche hinunter und wähne mich für einen Augenblick im alten Wien.
Am Ende bekomme ich eine Papiertüte mit allerlei leckeren Dingen in die Hand, zahle, nicke ihr zu und muss lächeln. Da würde ich am Liebsten gleich mehr von den Menschen, die hier in Zagreb leben und lieben und ihr Glück suchen, erfahren, möchte mir in einem der zahlreichen Straßencafės ihre Geschichten anhören. Na ja. So bin ich.
Aber man kann ja nicht immer alles machen im Leben, was einem gerade so in den Sinn kommt. Leider. Das vergesse ich manchmal.
Auf dem Parkplatz bekommt die Kroatien-Landkarte, die in der offenen Schiebetür an der Pinnwand der Kühklschrankseite auf unsere Abenteuer wartet, ein Zagreb-Magnet. Die ersten drei Croatia-Spots sieht man nun schon. Sehr nice!
Und ich mag Zagreb. Und es war heute genauso wie es ist mit grauem Himmel und Baugerüsten richtig und schön.
Jetzt sitze ich in der offenen Schiebetür, knabbere ein kroatisches Gebäckstück und prüfe die Wetterprognose für die Plitvicer Seen.
Ich möchte so gerne dorthin, zu diesem außergewöhnlichen Naturspektakel aus smaragdgrünen Seen und Wasserfällen! Dafür will ich auch Besucherströme in Kauf nehmen. Tatti und Susi stehen vor mir und rauchen und wir überlegen, was wir jetzt machen.
Von hier aus Richtung südlicher Meeresküste liegen die Plitvicer Seen auf der Strecke. Aber es wird dort heute und morgen mit großer Wahrscheinlichkeit regnen und Tatti, die Regenhasserin, stellt sich quer. Trotzdem werden wir jetzt erstmal hinfahren und dann weitersehen.
Trüffelladen Zigante Tartufi in Tušilović
Nach fünfzig Minuten taucht ein großes Hinweisschild für einen Trüffelshop am Straßenrand auf. Ich tausche mich kurz mit Tatti aus, dass Susi da bestimmt hin möchte. Drei Kilometer weiter lenkt sie unser Wohnmobil auf den Parkplatz.
Susi kommt strahlend zu mir an die Beifahrertür. Klar will sie da rein!
Wir finden eine große Auswahl verschiedenster Delikatessen, probieren alles Mögliche und werden superfreundlich beraten.
Aus einer Ladenecke beobachte ich, wie Susi sich Trüffel zeigen und abwiegen lässt.
Sie steht mit zwei Angestellten bei der Waage und palavert und guckt und man dreht den Trüffel in den Händen vor den Augen als wäre er mehr als nur ein schwarzer Klumpen. Wirklich putzig!
Die zwei Frauen in dem Laden sind auf jeden Fall so nett und alles wird so verführerisch dargeboten, dass ich am Ende sechsundzwanzig Euro für ein kleines Glas mit Trüffelpaste und eine Trüffelgewürzmischung ausgebe.
Rastoke Wasserfälle in Slunj
Während der Weiterfahrt stelle ich fest, dass wir erstmal an den Rastoke Wasserfällen etwas nördlich der Plitvivcer Seen vorbei kommen.
Und ich finde auch heraus, dass die Wasserfälle mitten im Ort Slunj sind und dass am Dorfrand ein Wohnmobilstellplatz ist. Das freut mich gerade sehr.
"Da können wir doch wunderbar einkehren und ins Dorf gehen", sage ich zu Tatti. Und so machen wir das. Susi fährt uns hinterher als wir abbiegen. Sie ist so herrlich offen und flexibel und findet alles klasse.
Der Rastoker Wohnmobilstellplatz liegt etwas oberhalb des Ortes und unsere beiden Wohnmobile sind bisher die einzigen auf dem verregneten Platz. Er soll zwanzig Euro kosten und ich frage mich erst, weshalb, sehe dann aber, dass er idyllisch liegt, mit Blick auf den Ort und auf eine Festung.
Schaut man hinunter, sieht man den Fluss Slunjčica und an seinen Ufer eine dichte Vegetation. Der Platz bietet einen überdachten Grillplatz mit Panoramablick, Strom und eine Dusche und er liegt ja schließlich auch bei einem begehrten Spott, den Rastoke Wasserfällen.
Es regnet gerade nicht und wir machen uns nach einem guten Kaffee gleich auf den Weg.
Auf einem kurzen Fußweg hinunter in den Ort kreuzen wir den Fluss und sehen auf einem elektronischen Zähler am Flussradweg, dass im Mai schon 482 Radler diese Stelle passiert haben. Lustig! Da ist doch bestimmt der ein oder andere Clown zweimal dran vorbei gefahren.
Nicht weit von hier ist auch eine Flussbadestelle mit einem Steg und Rasenflächen am Ufer. Nur zur Info, falls mal Jemand bei Sonnenschein hier ist.
Unten angekommen, gehen wir erstmal auf eine größere Fußgängerbrücke, die sich über die Wassermassen spannt.
Von links kommt mit gewaltiger Wucht und großen Wassermassen der Fluss Slunjčica, der auch am Wohnmobilstellplatz entlang fließt und von hier an auf einer Anhöhe durch das Dorf strömt.
Er sucht sich an vielen Stellen einen Weg hinunter zum daneben, aber tiefer dahin fließenden zweiten Fluss Korana.
Das Wasser strömt in mehreren Bahnen durch das Dorf.
Ich entdecke eine Infotafel an der Brücke und sehe, dass es hier einen kleinen Rundweg, den Šum Zivota (Summen des Lebens) gibt.
Ich lese auf Englisch, dass ich mir vorstellen soll, ich hätte einen Wasserfall hinter meinem Haus und die ganze Welt würde kommen um ihn zu sehen. Und dass ich mich dementsprechend benehmen soll. Klingt interessant!
Eine Kilometerangabe kann ich zwar nicht finden, aber die eingezeichnete Runde sieht nicht so riesig aus. Und benehmen können die Mädels sich auch gut.
Also frage ich die zwei, ob wir eine kleine Runde um die Wasserfälle spazieren wollen. Sie haben Lust und wir beginnen trotz dunkler Wolken die Rastoke-Runde.
Es regnet zum Glück auch gerade nicht.
Und so schlendern wir gemütlich an den vielen Wasserläufen und Wasserfällen entlang.
Nachts sollen sich in Rastoke laut slawischer Mythologie menschenscheue Feen die Pferde der Müller geholt haben und die Nacht durchgeritten sein. Sie sollen die Pferde später mit geflochtenen Mähnen zurückgestellt haben. Und sie sollen auch Kranken und Kindern, die nicht einschlafen konnten, geholfen und Müller mit ihren Tänzen verführt haben. Wenn aber einer der Müller sein Versprechen nicht gehalten habe, sollen sie sich bitter gerächt haben. Wie lustig!
Heute stehen die Feen als Strohpuppen im Wasser und ich stelle mir vor, wir sie in weißen Kleidern und mit wallenden Haaren durch die Nacht ritten, die kleinen Ladies.
Wunderbare Mythe, passt perfekt hierher!
Die kleine Runde führt uns durch ein Labyrinth von Grundstücken mit alten Häusern, Halbinseln, Wassermühlen und Restaurants und an Holzstegen, Brücken und Außenterrassen vorbei.
Zwischen den Gebäuden und dicht neben unserem Fußweg ergießt sich das Wasser in zahlreichen kleinen und größeren ganz schön wilden Kaskaden.
Es ist zwar recht touristisch aufgemacht hier, aber heute total leer.
Das Wasser steht so hoch, dass es streckenweise beinahe auf unseren Wanderweg läuft und es fließt schnell und tosend an uns entlang. Die Menschen hier haben sich früher die Kraft des Wassers zunutze gemacht und Wassermühlen auf die Ränder des Abhanges gebaut.
Auf jeden Fall macht das strömende Wasser einen ohrenbetäubenden Lärm! Von Summen keine Spur! Macht aber nichts.
Tolles Schauspiel! Große Wassermassen! Großes Kino!
Bei den übertrieben mächtig rauschenden Wassermassen denken wir uns nichts Besonderes.
Wir wundern uns auch nicht, dass die Bäume im Wasser stehen. Für uns ist es hier eben so. In drei Tagen in Bosnien Herzegowina werden wir aber deutlich erleben, dass nach all dem Regen gerade extremes Hochwasser herrscht. Und in vier Tagen wird der Ort Hrvatska Kostajnica, der nicht weit von hier ist, überflutet werden.
Der Weg ist spannend und schön und vom Nordufer sieht Rastoke aus wie ein gemaltes Dorf in einem Bilderbuch.
Die Runde ist zwar nur 1,4 Kilometer lang, aber wir trödeln lange genug mit zahlreichen Fotostopps, dass wir es auf den letzten hundert Metern noch schaffen, vom beginnenden Regen klitschnass zu werden. Aber das ist mir egal, denn auf dem letzten Wegstück sieht man die größeren Wasserfälle, auch einen der sich wie Feenhaar auf den Abhang legt, und übersetzt auch Feenhaar-Wasserfall (Vilina Kosa) heißt.
Ich bleibe im immer stärker werdenden Regen stehen und knipse und filme und knipse und filme und knipse. Und das Wasser, das an mir herunterläuft, ist mir total egal. Es ist so schön hier und ich fühle mich so lebendig!
Mit meiner Bummelei und Ignoranz des Regens mache ich mir vermutlich in meiner kleinen Reisegruppe, wovon die zwei anderen zusammengekauert mit Kapuzen unter einem Baum warten, nicht gerade Freunde.
Sie strengen sich zwar echt an, relativ neutral zu gucken als ich dazu komme. Ich sage vorsichtshalber gar nichts und lächle sie aufmunternd an.
Dann stapfe ich den Beiden hinterher Richtung Stellplatz. Sie würden sich nicht trauen zu meckern. Denn ich war es, die wegen der Schlechtwetterprognose die Kroatienpläne über den Haufen werfen und nach Spanien fahren wollte. Die zwei haben aber stur auf Kroatien bestanden. Braucht mir jetzt also keine zu kommen, dass sie nass wird!
Auf dem fünfzehnminütigen Rückweg den Berg hoch überlege ich, wie wir unsere Klamotten wieder trocken bekommen. Und ich bete, dass das Wetter nicht drei Wochen lang so bleibt. Ich will nämlich um alles auf der Welt in Dubrovnik und auf der Küstenstraße und auf den Inseln Sonne haben!
Wenigstens können uns am Abend exquisite Trüffel-Produkte, die wir uns zu unseren Spaghetthis gönnen, den Regen für einen Moment vergessen lassen.
Und die nassen Sachen stören in der Dusche auch nicht weiter.
Abends bekommt dieser wundervolle und vielseitige vierte Reisetag zwei Seiten in meinem Reisetagebuch. Sind wir wirklich erst vier Tage unterwegs? Die Arbeit und der Alltag sind schon Lichtjahre entfernt. Herrlich!