Tag 6 Mit dem Taxi nach Mostar

  

Warten auf trockenes Wetter und Nichtstun 

 

Auch Tag sechs lassen wir moderat angehen. Erstmal schlafen wir ganz lange. Und als wir in unserer Regenradar-App sehen, dass die blaue Wolkenfront erst am späten Nachmittag über uns verschwunden ist, schalten wir noch einen Gang runter und buchen eine weitere Nacht.

 

Hier zahlt man eigentlich in Mark, wobei Euro auch gerne genommen wird.

 

  

Ich backe einen Apfelkuchen, lausche dem Regen auf dem Wohnmobildach und schmuse mit Hannes.

 

Dabei will ich meinen Reiseblog vorantreiben, studiere dann aber doch lieber nochmal den Stadtplan von Mostar und trinke Kaffee.

 

Das Abhängen tut gut. Man muss auch mal nichts tun. Und ich finde es bei Regen, ehrlich gesagt, supergemütlich im Wohnmobil. 

 

 

Mit dem Taxi in die Stadt der geteilten Gefühle 

 

Um 17 Uhr lassen Susi und ich uns von einem Taxi in die Altstadt bringen.

 

 

Dort lassen wir uns von all den farbenfrohen Geschäften und Marktständen mit kleinen Lampen, schönen Teppichen und Taschen und noch viel mehr orientalischen Waren verzaubern. 

 

Tatti gönnt sich und Hannes derweil auf dem Stellplatz ein bisschen Ruhe.

 

 

In den Geschäften wird auf kleinstem Raum eine Fülle an farbenfroher Ware angeboten. Alle diese Teppiche und Lämpchen lassen mich natürlich zwangsläufig fühlen wie in tausendundeiner Nacht. 

 

Und bei so viel Zauber beginne ich allmählich zu denken, ich müsste so eine Lampe mit nach Hause nehmen und sehe mich um. 

 

 

Dann fällt mir aber doch wieder ein, dass wir in Norddeutschland wohnen und nichts Orientalisches in unserem Zuhause ist und die arme Lampe vermutlich ein lächerliches Dasein fristen müsste. Also lasse ich es lieber mit dem Kauf und präge mir anstatt dessen den Zauber ein, werde ihn als Gefühl mit nach Hause nehmen.  

 

 

 

Brücke Stari Most 

 

Ganz besonders flasht Susi und mich natürlich die Hauptattraktion, die wunderschöne Brücke Stari Most. Es muss eine schreckliche Zeit für die Menschen hier gewesen sein, als sie in den neunziger Jahren komplett zerstört wurde.

 

 

Nun steht sie zum Glück wieder. Ich muss an die Worte des Taxifahrers denken, dass sich die Menschen an von beiden Ufern bis heute nicht wirklich zusammengerauft haben. 

 

Die Brücke aber bietet einen so zauberhaften Anblick, dass mir das Herz stehen bleibt, wie sie sich stolz im hohen Bogen über die smaragdgrüne Oberfläche des Flusses Neretva spannt und ein Symbol der Vereinigung sein soll.

 

Es sieht auch noch wundersschön aus hier mit den alten Häusern am Ufer und dem Berg im Hintergrund. Ich werde still und schaue mich um. Und ich bin sehr gerührt von soviel Schönheit.

 

 

Wir gehen auf die Brücke und durch die Straßen und haben erstmal nurAugen für die Brücke, den Fluss und die Häuser an den Ufern.

 

Wir machen superviele Fotos. Irgendwie magisch hier. 

 

 

Wir schlendern weiter durch die Gassen, erkunden auch das Ostufer und ich kann kaum noch Eindrücke aufnehmen.

 

Hier wirken die Gebäude noch bunter und noch orientalischer. 

 

 

Wir entfernen uns an der Ostseite ein wenig vom Ufer und sehen, dass hier noch einige Ruinen mit großen Einschusslöchern stehen, denen der Krieg deutlich anzusehen ist.

 

Auch das macht mich sehr nachdenklich.

 

 

Als wir alles lange genug auf uns haben wirken lassen und sehr viele Fotos gemacht haben, gönnen wir uns noch ein Eis und gehen über die Brücke zurück und hinunter zum Ufer.

 

 

Es dämmert und die Lichter gehen an. Wir sind ganz alleine hier unten. Die untersten Restaurantterrassen stehen unter Wasser.

 

Und wir fragen uns wieder, ob solch ein Hochwasser ab und zu dazugehört oder ob das für Mostar auch schon ganz schön extrem ist momentan. 

 

 

Wir haben Hunger und wollen zu Tatti zurück. Wir gehen noch einen kleinen Schlenker zur Brücke Ćuprija, der "krummen Brücke". Sie gehört ebenso wie die Stari Most zum Weltkulturerbe und ist sehr hübsch. 

 

Ich gehe schon vor und werde von einem Mann gefragt, ob ich einen Mann habe. Wie bitte? Ähem. Ich kann das nicht zuordnen und mag so etwas gar nicht, grenze mich mit Nachdruck ab und gehe zurück zu Susi. 

 

 

Auf unser Taxi zurück müssen wir ganz schön lange warten. 

 

Als wir aus dem tax steigen, hat sich der Wohnmobilstellplatz gefüllt mit Leuten, die so ganz anders sind als die Camper der weißen Liner bei Oliver kocht. Ich bestaune kleine Offroad-Bullis, Dachzelte und unerschrockene junge Eltern, die ihre zotteligen kleinen Kinder durch den Regen zum Duschhaus tragen.

 

Städte wie Mostar zu besuchen, gehörte für mich damals mit kleinen Kindern nicht mal zu den möglichen Optionen in meinem Kopf. Warum eigentlich nicht? Ich hatte viel zu viel Schiss immer. 

 

 

Bei uns kommt heute frischer Trüffel auf die Nudeln. Dafür erklärt Susi uns, dass erst gutes Öl an die Spaghettis soll und reibt dann den frischen Trüffel in Blättchen auf unsere Teller.

 

Sie ist völlig entrückt beim Essen und ich schaue ihr zu und kaue und denke, dass mir stinknormales Pesto gereicht hätte.

 

 

Und die Landkarte am Kühlschrank hat wieder einen Magneten und ein Herzchen mehr. 

 

 

Abends sitzen Susi und ich noch lange unter dem Dach der Bar, weil wir dort Wlan haben. Wir stellen Mostarbilder in unseren WhatsApp-Status. Dafür nehmen wir ein bisschen Kälte in Kauf. Ein Stück weiter sitzt der Betreiber mit ein paar Leuten an einem Tisch und die Gespräche und das Lachen dringen zu uns rüber.

 

Wir tickern im Handy und Susi dreht sich nebenbei eine Zigarette und dann ziehen Tabakrauchschwaden in meine Nase. Und bei mir kommt schon wieder Klassenfahrt-Feeling auf.  Ich bin wieder sechzehn. YEAH!