Tag 11 Verdonschlucht und Castellane du Roc

 

Ich bin total aufgeregt und schon um sieben wach, schiebe das Rollo weg und sehe dichten Nebel. Das hat nichts zu sagen, beruhige ich mich, ist nur Morgennebel in den Bergen und wird schnell verschwunden sein. Ich mache nochmal ein Weilchen die Augen zu. Ab und zu blinzle ich durchs Fenster, aber es tut sich nichts. 

 

Irgendwann gibt es schonmal einen Kaffee im Bett. Dann stehen wir langsam auf und machen uns schonmal fertig, machen das Wohnmobil startklar und warten. Bei dem Nebel macht es keinen Sinn und ist auch viel zu gefährlich, an siebenhundert Meter tiefen Abgründen entlang zu fahren.

 

Also warten wir weiter.

 

Und warten, sitzen mit dem dritten Kaffee am Tisch und beobachten den Nebel durch die Fenster. Und stellen verschiede Theorien auf, was das Verschwinden des Nebels begünstigen würde. Und wie hoch unsere Chance auf die Verdonschlucht heute noch ist.

 

Ab und zu steht Tatti auf, öffnet die Schiebetür, stellt sich vor, neben und hinter das Wohnmobil und überprüft, ob sich an der Sicht schon was tut. 

 

Aber der Nebel bleibt und die Sicht ist weiterhin bei höchstens zehn Metern. So ein Mist! Ich hatte mich so auf die Verdonschlucht gefreut! 

 

 Gegen elf muss ich daran denken, dass ich beim Zelten in den französischen Alpen mal fünf Tage lang von einem Gewitter ausgebremst wurde, weil die Wolken zwischen zwei Bergen festhingen.

 

Und dann habe ich eine Idee!

 

Was, wenn der Nebel einfach nur eine Wolke ist? Aufgeregt berichte ich Tatti davon und wir beschließen, dass wir vorsichtig und langsam ein Stück fahren, um nachzusehen, ob es so ist.

 

Roadtrip Provence im Herbst

 

Schon nach wenigen hundert Metern geht die Straße leicht bergauf und es klart unmittelbar auf. Das ist crazy und zu schön, um wahr zu sein! Erst noch ein paar Nebelschwaden und dann einfach nur klare Sicht, Sonne und blauer Himmel.

 

Ich bin natürlich mehr als happy! Wir können sogar hinunter schauen auf den Nebel. Krass, da sind wir gerade einfach mal nach oben aus der Wolke herausgefahren! Jippieh! Das Leben ist schön! 

 

 

 

Wir werden die einundzwanzig Kilometer lange Schlucht heute komplett unrunden und beginnen auf der Südroute, der Corniche Sublime, die besonders viele schöne Aussichtspunkte haben soll. Bis zur Mündung des Verdon in den See, wo wir wieder kehrt machen und am Nordufer zurück fahren werden, sind es zweiundvierzig Straßenkilometer.

 

Unser erster Stopp ist beim Balcon-de-la-Mescla, einer Felsterrasse. Ich gehe ein paar Stufen hinunter auf die Plattform und dann zum Geländer, wo ich mich abstütze und drüberlehne. Unter mir ist das Ende der Schlucht so weit weg, dass ich fast nichts mehr erkennen kann. Das ist Wahnsinn!  

 

Wir sehen immer wieder tiefe Abgründe und die gegenüberliegenden Felswände. Die Panoramen sind von jeder Stelle einmalig schön!

 

Die Pont de l`Artuby bringt uns über die ebenfalls sehr tiefe Schlucht des Flusses Artuby, der ein Stück weiter in den Verdon fließt.

 

Wir sehen immer wieder tiefe Abgründe und die gegenüberliegenden Felswände. Die Panoramen sind von jeder Stelle einmalig schön!

 

Die Pont de l`Artubybringt uns über die ebenfalls sehr tiefe Schlucht des Flusses Artuby, der ein Stück weiter in den Verdon fließt. Wir parken am anderen Ufer und ich gehe zurück auf die Brücke. Unser Wohnmobil wirkt am oberen Rand der gigantischen Felswände superklein. Echt überwältigend!

 

Roadtrip Provence 2021

 

Die Landschaft gehört zurecht zu den schönsten der Welt. Und das bunte Herbstlaub vor dem blauen Himmel macht sie gerade besonders schön.

 

 

Im Tunnel du Fayet hält Tatti kurz bei einer Haltebucht mit Aussicht.

 

Schnell springe ich raus und mache Fotos.

 

Vom Ausblick. Und vom Wohnmobil unter einem überhängenden Felsen. Das macht sehr viel Spaß bei all den schönen Anblicken! 

 

 

Tatti guckt mürrisch.

 

Sie findet den Halteplatz ein wenig gefährlich wegen der Kurve und des Tunnels.

 

Verstehe ich gar nicht. Ist doch eine ganz normale Haltebucht neben der Fahrbahn.

 

Bei unserem nächsten Fotostop kommt ein weißes Porsche Cabriolet angefahren. 

 

Ein älteres Paar steigt aus.

 

Wir grüßen alle nett.

 

Ich starre das Auto an. Dieses offene Auto in dieser spektakulären gend bei diesen schönen Herbstfarben! 

 

Das.

 

Ist.

 

Königsklasse. 

 

Ich habe nur noch Augen für den Porsche.

 

Meinst du, ich kann den fragen, ob ich mich mal reinsetzen darf? raune ich Tatti zu.

 

Nein, das machst du nicht!  sagt sie forsch. Sie findet sowas peinlich.

 

 

Zu viert schauen wir in die Ferne und der nette Franzose erzählt, dass er jedes Jahr im Herbst mit seiner Frau herkomme. Der Gorges du Verdon sei zu dieser Zeit am Allerschönsten. Das glaube ich aufs Wort.  

 

Très belle! Oui, très belle , sage ich dauernd. 

 

Apropos schön...

 

Très belle voiture, flutscht es mir raus.

 

Mal schauen, wie sich das Gespräch entwickelt.

 

 

 

Er lächelt.

 

Ich frage ihn dann einfach auf Englisch, ob ich mich mal reinsetzen darf und er ein Foto machen kann.

 

Er guckt leicht irritiert.

 

Ich warte. Und grinse unbeholfen.

 

Ahh, oui, sagt er dann fröhlich.

 

Und setzt sich ins Auto und strahlt mich an. 

 

Oh Shit, er hat es nicht verstanden. Ich tue so als wenn ich ein Foto mache. 

 

Tatti geht beschämt weg.

 

 

Ich bin so nah dran, Aufgeben ist keine Option. 

 

Also zeige ich auf mich und das Auto und dann auf ihn und mein Handy.

 

Er lacht. steigt aus und hält mir die Fahrertür auf.

 

Geschafft!

 

Ich setze mich rein und der Mann macht ein Foto von mir, dem Porsche und seinem Finger.

 

Er gibt mir mein Handy. Mist, der Finger ist mit drauf!

 

Aus Rücksicht auf Tatti gebe ich mich mit dem Fingerfoto zufrieden. 

 

Total lustig alles! 

 

 

Dann fahren wir noch den Rest der südlichen Route durch die schönen Herbstfarben.

 

So muss man das machen wie dieses Paar. Man muss die Dinge, die schön sind, einfach immer wieder machen. 

 

Und zwar am Besten im Cabrio. 

 

 

Am Ende der Südroute fahren wir in Kurven bergab zum Lac de Sainte-Croix, einem großflächigen türkisblauen See. 

 

Roadtrip Provence im Herbst

 

Wir fahren um das Château d´Aiguines, das auf einem Hügel thront, herum.

 

Das Schloss hat an jeder Ecke ein Türmchen ud einen Hang mit Wein. 

 

Es gehört einem französischen Ex-Fußballspieler. Man kann es für 16 Millionen Euro kaufen.

 

Was für ein komplett anderes Leben reiche Leute haben! Ich denke das oft. Es ist so unfair. 

 

Die meisten Menschen auf der Welt werden niemals in ihrem Leben im weißen Porsche durch die Verdonschlucht fahren oder im Schloss mit vier Türmchen am türkisblauen See aufwachen. 

 

Roadtrip Provence im Herbst

 

Bei der Brücke Pont du Galetas mündet der Fluss Verdon in den See.

 

Die Brücke ist ein beliebter Anlaufpunkt, denn der Blick von hier in die Schlucht ist einmalig.

 

Es gibt mehrere Wohnmobilstellplätze und Campingplätze an beiden Seiten des Sees. Man kann surfen, segeln und baden oder mit Elektrobooten herumfahren.

 

 

WIr stellen uns auf die Brücke und schauen in die Schlucht.

 

Elektroboote verschwinden in dert Schlucht. Man kann sich 2 Kilometer weit hineinfahren lassen.

 

 

 Zum Schluss machen wir ein Selfie und zischen wieder ab. 

 

 

 

Nun fahren wir auf den gegenüber liegenden Hängen - auf der Nordroute - wieder zurück gen Osten.

 

Uns erwarten Höhen bis zu 1.459 Metern. Wir wollen zum 47 Kilometer entfernten Ort Castellane. 

 

Roadtrip Provence im Herbst

 

Auch von hier haben wir wieder tolle Ausblicke auf den See und die Brücke und hinunter in die Schlucht.

 

Und zu den gegenüberliegenden Felswänden.

 

Da sehen wir auch die Straße - die Südroute - , auf der wir gefahren sind. Teuflisch weit runter geht es neben der Straße! Puh!

 

Nach einer halben Stunde durchfahren wir den kleinen Ort La-Palud-sur-Verdon.

 

Es ist ein hübscher kleiner Ort für Wildwassersportler, Kletterer, Mountainbiker und Wanderer. Er hat ein paar Einkehrmöglichkeiten in der Orstmitte. 

 

Hinter dem Ortsausgang ist ein Campingplatz. 

 

Der sieht einladend aus. Den merke ich mir.

 

 

Kurz hinter dem Campingplatz biegen wir rechts ab auf die D23.

 

Hier beginnt eine spektakuläre 20 Kilometer lange Extrarunde. Man muss sie im Uhrzeigersinn fahren, weil die Straße ganz oben in den Bergen zur Einbahnstraße wird. 

 

Im Winter dürfen Teile der Strecke gar nicht befahren werden.

 

Wir wissen das und rechnen mit engen Straßen und hohe Höhen. Wir wollen schauen wie weit wir kommen und ob es mit unserem Kastenwagen geht. Wie aufregend!

 

 

Das erste Stück ist breit und gut befahrbar. 

 

Wir erfreuen uns an immer neuen spektakulären Panoramen. 

 

 

Am Belvédère de la Dent d´Aire halten wir für ein ausgiebiges Picknick mit Fernglas, Kaffee und Käsebaguette. Über uns kreisen  Gänsegeiern, die aussehen wie Greifvögel.

 

Roadtrip Provence im Herbst

 

Es ist sehr schön und sehr still hier oben. 

 

 Wir genießen den Moment sehr. 

 

 

Ich muss daran denken, wie wir heute Morgen entmutigt im Nebel gewartet haben.

 

Und jetzt sitzen wir bei schönster Sicht an einem der schönsten Orte der Welt. Ganz nah am Himmel.

 

Das Leben steckt voller Wendungen. Immer.  Auch zum Positiven. 

 

 

Nach dem Frühstück wird die Straße schmaler. Und sie geht immer höher. Jetzt darf bloß nichts entgegen kommen!

 

Als wir auf dem Stück, das man nur in unsere Richtung befahren darf, ankommen, entspannen wir uns.

 

 

Die Abgründe neben der schmalen Straße sind tief. Man darf keine Höhenangst haben.

 

Haben wir beide nicht.

 

Tatti fährt ruhig und souverän durch die Gebirgskurven. 

 

Wir sehen eine Mountainbikerin und Wandererin.

 

Hier oben ist der Einstieg zu einer 6-stündigen Wanderung, der Point de Départ du Sentier Martel. Respekt den beiden Frauen!

 

 

Ich bin so dankbar, dass Tatti fährt und ich gucken kann.

 

Sie fährt lieber selber, weil ich ihr in den Serpentinen - ihrer Meinung nach - zu übertrieben bremse. Und weil ich dann vor Aufregung so viel rede. 

 

Wir kommen froh über diese spektakuläre Runde wieder im Ort La-Palud-sur-Verdon an.

 

Das letzte Wegstück der Nordroute kurz vor Castellane ist wieder ganz anders und auch wunderschön.

 

 

Die Straße verläuft hier unten direkt neben dem fröhlich dahinfließenden Wasser des Verdon.

 

 

Wir müssen unter überhängenden Felsen hindurchfahren 

 

Die Straße schlängelt sich zwischen Felsen und Fluss nach Castellane. Tatti muss manchmal überhängenden Felsen mit kleinen Schlenkern ausweichen. 

 

Die weiße Kapelle von Castellane ist schon aus weiter Ferne zu sehen. Sie steht auf einem hohen Felsen über dem Ort. 

 

Der Wohnmobilstellplatz befindet sich am Fuß des Felsens und am Flussfer des Verdon. Wir stehen vor der Schranke und brauchen einige Versuche bis wir das Prinzip verstehen und auf den Platz fahren könnnen. 

 

Es steht nur eine Handvoll Wohnmobile auf dem Platz. 

 

Wir werden hier übernachten, parken und gehen erstmal ins Dorf. 

 

 

Herbstlaub macht die Straßen bunt.

 

Die Saison ist vorbei. Niemand fegt die Blätter weg. Die Geschäfte und die Anbieter für Outdoor-Aktivitäten haben ihre Sachen reingeholt und alle Fensterläden verrammelt. 

 

Castellane wartet auf den Winterschlaf.

 

 

Am Marktplatz sind die Außenterrassen der Cafés noch geöffnet. Vereinzelt sind Gäste zu sehen. 

 

Auf dem Marktplatz verabschiede ich mich von Tatti und verschwinde hinter der Kirche. Ich hatte einen Wegweiser zur Kirche gesehen.

 

Mal sehen, wie weit ich komme.

 

Tatti wollte nicht mit.

 

Ich habe eigentlich auch keine Lust auf eine so große Anstrengung, aber meine Neugier ist stärker. 

 

Der Weg - der Chemin du Roc - führt über Treppen und steile Wege und dauert ca. dreißig Minuten.

 

Es ist schon gleich sechs. Ich muss mich beeilen und komme auf den vielen Stufen ins Schwitzen.

 

 

Auf halber Höhe führt der Weg an der Rückseite des Berges weiter nach oben.

 

 An beiden Seiten des Berges stehen Bänke mit schönem Weitblick. Sehr verlockend!

 

Aber erstmal nach oben. Dann sehen wir weiter. 

 

Als ich oben bin, steht die Sonne schon tief zwischen zwei Bergen.

 

Die Kapellentür ist zwar verschlossen.

 

 

Ich lege meine Hand auf die Wand der Kapelle. Das mache ich manchmal, dass ich Dinge anfassen muss, um mich Orten näher zu fühlen. 

 

Wir zwei - die Notre-Dame-du-Roc und ich - sind ganz alleine hier oben in der Abendsonne. Das ist ein schönes Gefühl. 

 

Für Tatti und Hannes da unten ist die Sonne schon hinter den Bergen verschwunden. 

 

 

Ich zögere die Rückkehr ein wenig hinaus und genieße den Moment.

 

Dies ist der letzte Provence-Spot auf unserem Roadtrip.

 

Plötzlich fällt mir ein, dass die Sonne gleich untergeht. Und ich muss ja noch wieder runtergehen. Echt blöd, wenn ich die Stufen nicht mehr sehen kann. 

 

Also mache ich mich zügig auf den Weg nach unten. 

 

 

Auf den Stufen liegen viele lose Steine.  Es dämmert schon und ich muss mich darauf konzentrieren, wohin ich trete. 

 

Bei einem Absatz lehne ich mich über die Brüstung und schaue nach unten. Ich kann den Ort, den Fluss und den Parkplatz mit unserem Wohnmobi und dahinter die Berge und die untergehende Sonne sehen.

 

 

Ein Stück weiter stehen Steinmännchen bei einem Denkmal am Wegesrand.

 

Ich kann nicht unverrichteter Dinge vorbeihuschen, bücke mich schnell, sammele ein paar Steine und schichte sie zu meinem eigenen Steinmännchen. 

 

So viel Zeit muss sein.

 

 

Kurz vor sieben komme ich im Hellen unten an und bin glücklich und zufrieden.

 

Das war ein toller Abschluss für die wunderschöne Provence!

 

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