Vaison-la-Romaine
Heute fahren wir die restlichen dreihundertvierzig Kilometer bis zum Nebeneingang der Provence, dem alten Ort Vaison-la-Romaine, der eingebettet zwischen Hügeln an den Ausläufern des Mont Ventoux liegt.
Wir sind vom Wohnmobilstellplatz aus in zehn Minuten beim Wahrzeichen der Stadt, einer römischen Brücke. Auf dem Weg dorthin sehen wir Mauerreste einer Ausgrabungsstätte. Das Herzstück der alten Siedlung liegt allerdings unterhalb der Häuser der Neustadt, durch die wir gerade gehen.
In der Zeile mit Geschäften lasse ich mich verzaubern von französisch klingenden Wörtern, die in weißer verschnörkelter Handschrift auf schwarze Tafeln geschrieben sind, von den alten Häusern, schönen Plätzen unter Platanen und von einem nostalgischen Schokoladengeschäft, beherrsche mich aber. Ich will nicht schon am ersten Tag schokoladenschwach werden.
Wir gehen weiter zur römischen Brücke über den glasklaren Fluss Ouvèze. Sie ist eine der seltenen antiken Brücken, die heute noch in Betrieb sind und ist sehr fotogen mit ihren Bögen.
Am anderen Ufer gehen wir hinauf in die uralte Oberstadt. Beim Eingang, einem alten Wehrtor, befindet sich die Crêperie La Pomme. Dort gibt es hundert Variationen Crêpe. Echt abgefahren!
Autos gibt es fast gar keine in den schmalen steilen Gassen. Dafür hübsche Plätze zum Verweilen mit schönen Springbrunnen und verzierte Fensterrahmen aus Stein. Wir gehen den Hügel weiter hinauf und sind lange Zeit ganz alleine.
Irgendwann kommt eine zierliche sehr alte Frau hinter einer der schön geschnitzten Holztüren hervor und geht mühselig in kleinen Schritten die sehr steile Gasse zum nächsten Hauseingang hoch. Warum bleibt sie wohl trotz des hohen Alters und mit ihren körperlichen Einschränkungen hier wohnen?
Nur wegen der Vertrautheit ihres Zuhauses, der Geborgenheit der jahrhundealten Gemäuer? Im Sommer bleibt es hier schön kühl und im Winter sinkt die Temperatur selten unter null Grad. Möchte sie ihren schönen Weitblick in die umliegende Landschaft nicht missen? Oder gar die Lebendigkeit und Vielfalt, die die Touristen in den Sommermonaten mitbringen?
Meine Überlegungen werden jäh gestört. Oben auf dem Berg durchbrechen zwei Gärtner mit ihren Heckenscheren die Stille.
Romantischer Schlafplatz am Weingut La Giradière in Rasteau
Es ist wirklich ein besonders schönes Erlebnis, so allein inmitten der Weinfelder übernachten zu dürfen und Wein zu trinken, dessen Trauben hier wahrscheinlich irgendwo gewachsen sind. Aus jedem Fenster sehen wir Weinstöcke.
Auf unseren Reisen ist alles so anders als zuhause. Wie in einem anderen Leben. Eine Kollegin, eine junge Mutter, schreibt zu den Fotos in meinem Status, dass sie aus ihrem Bett heraus auf ihren Wäscheständer schaut und sich bei meinen Fotos fragt, was sie falsch gemacht hat. Ich muss lächeln. Und mir wird bewusst, wie besonders es ist, dass wir hier sein dürfen mit Bett, Küche und Bad und dass wir überhaupt unterwegs sein können. Der Alltagsstress ist längst vergessen und wir sind tiefenentspannt.