Morgendlicher Start im Weinfeld
Die Abfahrt vom Weingut wird nicht mehr ganz so romantisch. Erst gehe ich für ein Foto vom Wohnmobil rückwärts im Wein herum und trete dabei in ein Matschloch, so dass mein linker neuer schneeweißer Sneaker, der mich zusammen mit dem rechten eigentlich später in Saint-Tropez dabei unterstützen soll, mondän zu wirken, voller Matsch ist.
Dann setzt Tatti das Wohnmobil zurück und wir hören einen Knall. Es zeigt sich, dass wir den vollen zugeknoteten Kotbeutel von Hannes hinter unserem Vorderrad vergessen hatten. Also nochmal Igitttigitt!
Hin und weg von Séguret
Als alles wieder sauber ist, fahren wir sieben Kilometer bis nach Séguret, einem bezaubernden kleinen Bergdorf. Wir sehen die hellen Häuser am Hang schon von der Straße aus und finden bei Ankunft am Ortsrand sofort einen großzügen Parkplatz.
Schon in der ersten Sekunde, als wir durch das Tor in die kopfsteingepflasterten autofreien Gassen auf dem Berg treten, bin ich verliebt in dieses Bergdorf. Die Stimmung ist so schön und entspannt hier.
Wir schlendern durch die schmalen Straßen, lauschen dem Plätschern des Brunnens und den Klängen des kleinen Glockenturmes.
Und wir schauen uns die schönen Eingänge und Häuser an und blicken vom Dorfrand aus in die Weite.
Wir kaufen uns ein Brot, das auf einem Tisch vor einer Bäckerei feilgeboten wird, und freuen uns unseres Lebens. Ach, wie schön es ist, dass wir in diesem kleinen Juwel unseren Morgenspaziergang machen dürfen. So kann es gerne weitergehen!
Kurzbesuch in Carpentras
Anschließend fahren wir ins dreiundzwanzig Kilometer entfernte Carpentras, wo am Stadtrand ein großer recht leerer Parkplatz ist. Alles geht ganz entspannt vonstatten also. Allerdings eseln wir uns eine Zeitlang mit unserer Sicherheitstechnik im Wohnmobil ab. Wir haben vor diesem Urlaub eine Wegfahrsperre nachrüsten lassen. Aber um das Lenkrad dafür in die richtige Stellung zu bringen und den Schlüssel drehen zu können, braucht man ganz viel Übung. Und wir haben den Dreh einfach noch nicht raus. Wir probieren es beide immer wieder und werden immer gereizter. Es klappt Gott-sei-Dank irgendwann.
Carpentras ist eine große Stadt und auf dem Weg in die Stadt kommen wir an merkwürdigen Typen vorbei, die an den Ecken lungern und uns beobachten. Die Innenstadt wirkt zerfleddert, mal ist hier ein Geschäft, mal da, und dazwischen sind meist recht dunkle und verlassene Straßen.
Schön finden wir aber auf jeden Fall, dass man den höchsten Berg der Provence, den Mont Ventoux, von hier aus sehen kann, und auch der Platz vor der Kathedrale mit einem runden Brunnen ist sehr schön. Und richtig klasse ist natürlich, dass die Sonne inzwischen vom Himmel strahlt und wir den Sommer zurück haben.
Avignon
Wir fahren an der weißen Stadtmauer entlang zur Île de la Barthelasse, einer Insel, die länglich in der Rhône liegt. Dort fahren wir auf einen Wohnmobilstellplatz auf einer Wiese und tanken wieder mal Frischwasser. Den Chip, den wir für das Wasser brauchen, bekommen wir von einem Servicemitarbeiter geschenkt.
Wir gehen durch den Wald. Wir sind in wenigen Minuten an der Rhone und sehen die Pont d´Avignon und die Stadtmauer am anderen Ufer. Mir fällt auf, dass die Pont d`Avignon nur noch zur Hälfte in der Rhone steht. Und sie heißt eigentlich auch Pont Saint-Benezet. Das ist komisch und ich wusste es nicht. Wir heben sie für den Schluss auf und gehen über eine größere Autobrücke erstmal zum Stadttor. Das gute alte Lied Sur le pont d´Avignon hat sich längst als Ohrwurm bei mir eingenistet und kommt mit in die Innenstadt.
Die Fußgängerzonen empfangenes uns hell und großzügig mit vielen schönen Geschäften, in denen Blumen, modische Kleidung und trendige Wohnaccessoires ebenso angeboten werden wie teure Geigen und alte Fotoapparate und noch so viel mehr andere Dinge. Und die Festungsmauer rahmt die Innenstadt wie eine Burg ein.
Ich mag es hier zu sein. Avignon ist aufgeschlossen und freundlich.
Wir gehen durch ein ehemaliges Färberviertel, sehen einen Graben mit Schaufelrädern und hohe Platanen und darunter stehen Cafétische. Es ist eine kleine Idylle für sich und soll Ausgehmeile sein, ist momentan aber verlassen.
Es ist heiß und ich trinke bei einem kleinen Café mit Straßenverkauf selbstgemachte Ingwer-Limonade. Ich sitze auf einem Barhocker vor dem geöffneten Fenster des Mini-Cafés. Tatti bleibt mit Hannes in einiger Entfernung stehen. Manche Dinge muss und will ich auch gar nicht verstehen. Das zum Beispiel.
Der Betreiber ist sehr charmant. Für einen differenzierten Austausch über die Schönheit Avignons und die Leichtigkeit des Seins reicht mein Französisch leider nicht. Schade. Der Mann sieht nämlich so aus, als wäre er daran interessiert und auch gut dafür geeignet.
Aber dafür brennt die Limonade noch eine halbe Stunde später in meinem Hals. Von jetzt an ist bei mir der Geschmack von Ingwer-Limonade untrennbar mit diesem kleinen Moment und mit Avignon verbunden.
Wir gehen zwischen alten weißen Gemäuern des Papstpalastes hindurch. Im Durchgang steht ein Geiger und spielt ein durchdringendes Lied. Im vierzehnten Jahrhundert war Avignon für sieben Päpste hintereinander Papstsitz. Echt jetzt? Wieso das denn?
Clemens der Fünfte, ein 1305 zum Papst gewählter Franzose sei gar nicht erst nach Rom gegangen. Er habe als bisheriger Erzbischof von Bordeaux völlig unter dem Einfluss Frankreichs gestanden, lese ich. Achso. Interessant.
Wir kommen am Place du Palais, einem weitläufigen Platz mit treppenförmig angelegten Ebenen, heraus. An der Längsseite erstrahlen der riesige Papstpalast und die Kathedrale in weiß. Auf dem Turm der Kathedrale glänzt eine große vergoldete Marienfigur in der Sonne. Hier sind viele Touristen unterwegs und es herrscht eine entspannte Sommerstimmung.
Wir essen ein Eis auf den Stufen und beobachten das Geschehen auf dem Platz. Zurück am Ufer bei der Pont d`Avignon stellen wir fest, dass wir zu spät sind. Es ist kurz vor fünf, gleich schließt die legendäre Brücke. Das ist sehr schade. Getanzt wurde früher im Übrigen auch gar nicht auf der Brücke, sondern auf der Insel, auf der unser Wohnmobil steht.
Auf jeden Fall ist Tatti fein raus. Sie hatte schon Angst, dass sie mit mir am helllichten Tag auf der Brücke tanzen muss.
Wohnmobilstellplatz in Remoulins
Danach fahren wir zum Übernachten auf den Aire Camping-Car Park in Remoulins und stehen erstmal eine Weile vor der Schranke. Wir brauchen eine Pass d`Étappes-Zugangskarte. Wie bekommen wir die? Ach so, wir müssen uns erst am Automaten registrieren und für fünf Euro die Karte kaufen und spätestens vorm Verlassen des Platzes am Automaten oder per App und Kreditkarte aufladen. Der Platz gehört zu einer Kette und das System ist eigentlich ganz praktisch, wenn man erstmal die Karte hat und das Procedere verstanden hat.
Es ist fast nichts mehr frei und wir quetschen uns in eine schmale Lücke direkt neben der Schranke.
Ich koche und Tatti will AdBlue auffüllen. Sie hantiert dort eine ganze Weile herum. Ich sehe ihr Gesicht durch die Scheibe. Das sieht nicht gut aus. Scheinbar hat sie das nach Pipi stinkende Zeug schon an Händen und Klamotten, aber nicht im AdBlue-Tank. Und sie flucht. Und zwar nicht gerade leise. Ich gucke aus meinem Versteck in die Runde und sehe, dass die umstehenden Leute Tatti beobachten. Oh Gott, wie ich so etwas hasse!
Dann kommt ein Deutscher mit einer Art Trichter auf sie zu und unser AdBlue scheint endlich in den Tank zu fließen. Die Frau des Deutschen kommt an meine offene Schiebetür um mir zu sagen, dass sie das auch kenne mit dem Gemecker. Ihr Mann sei auch so. Na ja, wir sind zwar jetzt die uncoolsten Camper des Platzes, aber wenigstens ist der AdBlue-Tank wieder voll.