Morgens auf dem Campingplatz in Cassis lassen wir Abwasser ab und tanken Frischwasser. Die Stelle ist vor dem Sanitärgebäude und man steht mitten im Weg. Da fragt man sich wirklich manchmal, was die Planer sich dabei gedacht haben.
Mit ausreichend Wasser zum Kochen, Geschirrspülen, Duschen und Händewaschen starten wir. Den Strom für die Lampen, den Kühlschrank und das Aufladen der Handys fangen wir auf dem Wohnmobildach mit unserem Solarpanel ein. Und auch bei der Fahrt werden unsere Wohnraumbatterien geladen. Gas zum Kochen und Heizen kommt aus Gasflaschen im Heck. Es fühlt sich so gut an, wenn das Wohnmobil wieder fit ist für die Weiterreise. Wir können überall bleiben und übernachten und sind prima versorgt. Und nun machen wir uns auf den Weg in ländliche Gegenden.
Wir wollen in den nächsten Tagen ein paar Bergdörfer der Provence besuchen. Sonja, meine Physiotherapeutin, Freundin und überzeugte Provence-Liebhaberin sagte mir kurz vor der Reise, das wir nach Ansouis fahren müssen.
- Und nach Lacoste, ergänzte sie. Sie dachte mit verklärtem Blick nach und sprach weiter.
- Und nach Lourmarin. Und dann nannte sie ein Dorf nach dem anderen. Und je mehr sie aufzählte, umso mehr schienen ihr einzufallen. Puh, das wird schwierig, dachte ich.
- Sind ganz schön viele, warf ich zaghaft ein.
- Da MÜSST ihr hin. DAS ist die Provence, sagte sie voller Passion.
Und nun sind wir also auf dem Weg in Sonjas ECHTE Provence. Noch 80 Kilometer. Genau genommen sind wir eigentlich schon seit Briançon in der Provence. Aber heute kommen wir im Herzstück der Provence an, bei den Bergdörfern des Naturparks Luberon mit seiner charakteristischen Landschaft.
Es ist ruhig auf der Straße, sonnig und nach Marseilles vielen bunten und wilden und lauten Impressionen ist es nun angenehm grün. Einfach nur grün. Wunderbar!
Sonjas kleine Seelenorte im Hinterland sind jetzt genau das Richtige für uns.
Nach einer Dreiviertelstunde passieren wir die Stadt Aix-en-Provence, die mich ebenfalls außerordentlich reizt. Schweren Herzens verzichte ich aber auf einen Besuch, da unser Stadtspeicher ja noch von Marseille gefüllt ist. Dass wir uns nicht verzetteln, gehört zu unseren eisernen Regeln.
Besser gesagt zu Tattis eisernen Regeln. Kurz vor der letztmöglichen Abfahrt versuche ich sie doch noch schnell zum Abfahren nach Aix-en-Provence zu überreden. Ich kann einfach nicht anders.
- Wollen wir nicht nur ganz kurz gucken, ob wir einen Parkplatz in der Nähe von Cézannes Atelier finden?
Sie stöhnt und guckt mich leicht gereizt von der Seite an. Den Blick kenne ich. Sie überlegt, wie sie am Besten nein sagt.
- Nur versuchen, bettele ich. Nur einmal kurz gucken und wenn ja, husche ich schnell rein.
- Das kenn´ ich, sagt sie und rauscht an der Abfahrten vorbei. Keine Chance! Nicht mal zum Diskutieren.
Künstlerateliers lösen eine flammende Sehnsucht in mir aus. Das können Menschen, bei denen Künstlerateliers keine flammende Sehnsucht auslösen, einfach nicht verstehen. Ach, wenn mein Leben doch nur tausend Sommer hätte!
Achtung Spoileralarm: In Venedig wird im Herbst 2024 meine Künstleratelier-Sehnsucht gestillt werden. Das weiß ich aber ja jetzt noch nicht.
Unser erstes Ziel ist - ganz nach Sonjas Vorgaben - das Bergdorf Ansouis am nördlichen Rand der Durance-Ebene. Wir parken am Fuße des Ortes auf einem großen Besucherparkplatz und snacken erstmal etwas.
Von hier aus wirkt Ansouis, wie es sich am Hang aufbaut, schonmal ruhig.
Und nett.
Und süß.
Gestärkt und zufrieden gehen wir vom Besucherparkplatz aus über eine ansteigende platanengesäumte Straße Richtung Dorf. Wir kommen erst an einem kaum auffälligen Nobelrestaurant und dann am Rathaus vorbei. In eisernen Lettern steht Liberte, Egalite und Fraternite an der Fassade des Rathauses und die französische und die EU-Flagge wehen am Eingang.
Ein Stück weiter ist ein Lebensmittelgeschäft, eine Bar des Sports und ein Tabakladen. Die Bar hat ihre Bistrotische auf dem Bürgersteig vorm Gebäude und auf der gegenüberliegenden Straßenseite an der Kreuzung im Schatten einer großen Platane stehen.
Das Dorf ist alt, liegt auf einem Felsvorsprung und hat dicke Festungsmauern. Die Fassaden der Häuser etwas weiter unten sind in verschiedenen Pastellfarben gestrichen und auch die Fensterläden. Zartes Gelb, helles Grün, hellblau und darüber der dunkelblaue Himmel. Wir gehen immer weiter den Berg hinauf durch alte charmante Gassen mit lauschigen Ecken mit vielen Büschen, Blumen und Kletterpflanzen an den Wänden. Es ist entzückend hier. Allein schon die niedlichen Schilder und Tafeln.
Wir entdecken ein paar Schilder, die auf Ausstellungen hinwiesen oder auch Skulpturen im Vorgarten.
Dann folgen wir einem hellgrünen Holzschild, das den Weg zu einer Savonnerie, einer Seifen-Herstellung, weist. In der Gasse duftet es als wenn gerade Jemand aus der Dusche gestiegen ist.
Der Eingang befindet sich versteckt zwischen herabhängenden Grünpflanzen. Es ist ein Minilädchen mit Seifen, Lotionen, Schwämmen, Shampoos und selbst genähten kleinen Dingen.
Im Eingang steht eine Schautafel, auf der die einzelnen Schritte der Seifenherstellung in Fotos darstellt sind. Die Betreiberin und Seifenherstellerin selber steht schüchtern lächelnd im hinteren Bereich ihres Lädchens.
Ich suche mir eine Seife und einen schmalen langen Stoffeutel für Baguette aus, zahle und frage, ob ich Fotos für meinen Reiseblog machen darf und sie findet es prima. Sie erkundigt sich interessiert, welche Reisen wir machen und wohin wir als Nächstes wollen.
- Lourmarin? Oh ja, auf jeden Fall sehenswert, sagt sie, auf Französisch natürlich, aber wir müssen eine Straßensperrung beachten, ergänzt sie. Und dann dauert und dauert und dauert es, weil sie immer und immer und immer wieder auf Französisch erklärt, wie wir die Straßensperrung umfahren sollen, am Besten über kleine Landwirtschaftswege - rechts, dann links, wieder links - fahren um wieder auf eine Hauptstraße zu kommen.
Ich nicke und lächle und sage Ah und Ohhh und wiederhole gauche (links) und petite rue (kleine Straße) und mache ihre Handbewegungen mit und merke es mir nicht und denke die ganze Zeit an GoogleMaps. Aber sie ist so lieb und engagiert, dass ich sie nicht unterbrechen mag.
Dann gehen wir weiter bis auf den höchsten Punkt des Dorfes und haben einen atemberaubenden Blick auf die Landschaft des Luberons, auf Olivenhaine und Weinfelder.
Links am Platz steht ein charmantes und filmreifes altes Haus mit hellblauen Läden und Schildern, die auf eine Ausstellung und freien Eintritt hinweisen. Rechts ist eine Art Festungsmauer und eine Treppe führt zu einem Eingang.
Ich gehe in das süße Haus und schaue mir Ölbilder und Aquarelle und ockerfarbene Bilder von Künstlern der Umgebung an.
Lavendelfelder, Bergdörfer, Brücken. Ah ja, so fangen die Einheimischen ihre wunderschöne Provence also ein.
Man kann kleinere Gemälde für vierzig bis fünfzig oder größere für ein paar hundert Euro kaufen.
Einer der Künstler, Monsieur Huguet, ist anwesend und posiert auf meine freundliche Anfrage hin selbstbewusst für meinen Blog vor seinen Werken.
Schade, dass ich in meinem Gehirn nur noch extrem wenige französische Vokabeln finden kann. Denn ich hätte mich sehr sehr gerne länger und tiefgreifender als nur nickend und mit den Händen fuchtelnd mit Monsieur Huguet unterhalten.
Draußen stehen Susi und Tatti und schauen in die Ferne.
- Geh mal da hoch, ruft Tatti mir zu und zeigt zur Tür in der Festungsmauer.
Ich mache es, trete ein und finde mich wieder in einem uralten Kirchenraum. Es ist die Église Saint-Martin.
Der Boden besteht aus großen Steinplatten. Die Wände sind nackt und brüchig und die Farbe der Wandmalereien blättert ab. Hier wurde lange nichts renoviert und das gefällt mir.
Golden verzierte Altarbilder vor den abblätternden Wandbildern bringen einen speziellen Zauber hier hoch auf den Berg. Ich sehe es vor mir, wie die Menschen damals den dunklen Raum geschmückt, verziert und zum kirchlichen Leben erweckt haben. Dann der erste Gottesdienst. Es muss den Besuchern den Atem verschlagen haben.
Happy mit diesen schönen Eindrücken, Lavendel-Seife und einem neuen Baguettebeutel im Rucksack gehen wir den Berg wieder hinunter zum Parkplatz.
Beim Start sehen wir links die Straßensperrung mit Höhenbegrenzung. Da dürfen nur PKWs durchfahren. Wir biegen rechts ab und lassen uns von Google Maps im Bogen zur anderen Seite von Ansouis leiten. Schon der erste Weg, in den wir laut Seifenfranzösin hätten einbiegen sollen, ist viel zu schmal für unser Wohnmobil.
Durch unsere Extrarunde haben wir nochmal einen netten Blick von der anderen Seite auf den Ort und die Festung.
In Coucouron, unserem Bergdorf Nummer 2, müssten wir sehr weit laufen vom Parkplatz zum Ort. Es ist eng und darauf haben wir gerade keine Lust. Wir sind gerade im Ruhemodus. Also geht es direkt weiter zu Dorf Nummer 3, nach Lourmarin. (Entschuldige, Sonja.)
Lourmarin
In Lourmarin ist alles ganz einfach. Gleich bei Ankunft parken wir in einer Parkbucht am Straßenrand ein, gehen dreihundert Meter ohne Steigung und sind schon am Rand des lebhaften Zentrum. Wow, das ging schnell!
Lourmarin ist bunt und quirlig und hat spannende Geschäfte, Bars, Cafes und ein gemischtes Publikum. Die Tische in den Straßen sind gefüllt. Es wird gelacht, geredet und überall ist etwas in Bewegung oder gibt es etwas zu gucken.
Savoir vivre, denke ich, als ich die Menschen an den Tischen, die sich mit Wein zuprosten sehe. Savoir vivre heißt Wissen, wie man lebt. Ich betrachte die Gesichter im Vorbeigehen und denke nach. Ja, es ist etwas dran, an der Aussage, dass die Franzosen es wissen. Die Augen der Menschen sehen glücklich aus.
Und wir Deutschen? Wir wissen es nicht so gut, befürchte ich. Wie man lebt. Aber dennoch liegt es ja immer auch an einem selber. Aber nirgends erscheint es mir jedoch so leicht wie hier, der Genuss des Lebens, in der Mitte solcher charmanten französischen Orte. Wir bräuchten in Deutschland also einfach nur mehr Sonne und mehr hellblaue Fensterläden. Ich nicke aus Versehen und richte meinen Fokus wieder auf meine Umgebung.
Und ich will jetzt auch den Savoir Vivre-Vibe und will das mit Tatti und Susi klären.
- Wollen wir uns auch irgendwo hinsetzen und was essen? frage ich deshalb und denke dabei auch an Wein.
- Jetzt? fragt Tatti. Wir haben gerade gefrühstückt.
Ach ja, Mist! Ich muss es nachher mit Kuchen versuchen.
Die Geschäfte stellen ihre bunten Waren so nonchalant drappiert dar, dass mir das Herz aufgeht vor lauter hübschen Körben, wehenden Stoffen und Blumenkleidern in der provenzalischen Sonne. Hier will ich nochmal siebzehn sein! Echt jetzt! Und meine Nase im leichten Sommerkleid verliebt um die Ecke stecken und Ausschau nach meinem Date halten!
Wir schlendern durch die Straßen und schauen in die Geschäfte. Ich kaufe bei Les Stoffes de Lourmarin ein fröhlich buntes Geschirrtuch, das als Tischdecke auf dem Campingtisch dienen und mich dabei ans Savoir Vivre erinnern soll.
Während wir so durch die Straßen ziehen, gucken, genießen und Fotos machen, sage ich dreimal, dass ich noch einen Bäcker brauche für ein Baguette, für meinen neuen Baguettesack von der Seifenfrau.
Aber in Wirklichkeit will ich nur endlich irgendwo mit glücklichen Augen am Tisch sitzen. Und wo es Kuchen gibt, stehen meine Chancen gut, dass Tatti mitzieht.
Und dann laufen wir auch schon auf ein Café, das Café l´Ormeau, zu. Es spielt mir in die Karten, denn die Türen stehen weit auf und unsere Blicke werden auf eine Eistheke gelenkt. Kuchen oder Eis, ist ja egal. Ich hole Baguette und wir holen uns jede ein Eis und setzen uns damit an einen der Bistrotische unter der Markise.
Das Eis ist schmeckt komisch, so krümelig, und neben uns steht ein Teller mit Lachsbrötchen, die in der Sonne eklig glänzen. Savoir vivre ist gar nicht so leicht, muss ich zugeben.
Und dann wird mir bewusst, dass unser Savoir Vivre ein Campingtisch in der Wildnis vor unseren Bullies ist. Mit abgepackter Wurst aus Val d´Isere und Murmeltieren, die uns beim Essen zusehen. Es geht nicht darum, was es ist, was man macht, sondern wie gut es zu einem und zum Moment passt.
Nach dem komischen sandigen Eis machen wir uns auf den Weg zurück zu den Vans.
Vor der Abfahrt stecke ich noch schnell mein neues Baguette in meinen neuen Sack, hänge ihn an den Haken in der Schiebetür und freue mich wie Bolle, dass von heute an kein einziges Baguette der Welt mehr die Arbeitsplatte und das Schubladeninnenleben mit Mehl bestäuben wird. Und dass die niedliche Seifenfrau als länglicher Stoffsack jetzt immer mitfährt.
Grand Luberon und Petit Luberon
Wir queren das Luberon-Massiv auf einer kurvenreichen Strecke von Süd nach Nord. Es ist nur fünf Kilometer breit, aber die Gebirgskette erstreckt sich weit nach rechts und nach links. Sie ist insgesamt sechzig Kilometer lang. Rechts von uns liegt das große Luberon (höchste Erhebung 1.125 m) und links von uns das kleine Luberon (höchste Erhebung 727 m).
Dorf Nummer 5, nämlich Bonnieux, durchfahren wir nur, finden es zwar nett vom ersten Eindruck, aber wir sehnen uns nach Ankunft und ich will unbedingt noch Fahrradfahren heute. Wir wollen jetzt erstmal zum Aire Campingcar-Park Goult, der acht Kilometer hinter Bonnieux liegt.
Wir fahren nacheineander an die Schranke des Wohnmobilstellplatzes und halten unsere Karten vor das Lesegerät.
Alles funktioniert reibungslos und wir haben es ruckzuck gemütlich bei den Bullies auf einem einfachen Sandplatz mit ein paar Grasbüscheln und einem Felsen im Hintergund. Susi holt ihren Campingstuhl raus und - zack - sitzt sie gemütlich mit Airpods in den Ohren mitten in der Provence und träumt sich mit ihrer Musik in die provenzalische Entspannung.
Wir werden heute also mitten in der Peter Mayle-Provence schlafen. Peter Mayle hat eines der bekanntesten Bücher über die Provence geschrieben. Mein Jahr in der Provence beschreibt den Kauf seines Hauses in der Provence und wie er damals die Leute und die Lebensart wahrgenommen hat. Und er hat nicht weit von hier gewohnt. Um uns herum liegen die zauberhaftesten Landschaften und Bergdörfer der Provence!
Jetzt brauchen wir aber erstmal einen Laden und müssen etwas zu essen einkaufen. Ich orientiere mich, wo wir Lebensmittel bekommen und Tatti holt die Räder vom Fahrradträger und wir radeln los.
Zunächst überqueren wir die Straße und fahren we ige hundert Meter bis zu einem Miniladen in Lumières. Er hat ein paar Lebensmittel. Eier und Kartoffeln reichen uns. Wir bringen die Dinge zurück zum Platz und radeln nochmal los.
Wir überqueren die Straße wieder und fahren den Berg drei Kilometer lang hoch zu Bergdorf Nummer 6, nämlich nach Goult. Es ist trotz Ebikes ein bisschen anstrengend. Nicht gerade ein kleiner Hügel! Ich will zum Restaurant La Terrasse, denn ich hatte zuhause ein Foto gesehen, auf dem die Fassade des Restaurants mit den Tischen davor zu sehen ist und die Sonne am Ende der Straße gerade golden hinter der Bergkuppe verschwindet. Das will ich sehen! So ein Foto will ich auch!
Wir sind da. Ähem. Aber was ist denn hier los? Ich steige vom Rad und sehe mich um. Vorm Restaurant liegen Strohballen. Und davor steht ein Rollator. Da stimmt was nicht mit der französischen Romantik.
Laute Countrymusik tönt über den Platz. Ist das etwa ein Westernfest? Oh nein! Die Leute tragen Cowboyhüte und tanzen Linedance! Entschuldigung?! Über den Eingang haben sie ein Saloonschild gesteckt. Och nö, und eine amerikanische Wimpelgirlande aufgehängt. Das ist so skurril!
Tatti guckt mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Und dann finde ich es total witzig. Auf Reisen kommt meistens alles anders. Aber das macht es ja auch so spannend!
Wir fahren den Berg ein Stück weiter hoch.
Das Dorf wirkt sehr ordentlich und sauber. Einige Gebäude scheinen sorgfältig restauriert zu sein und die Straße wurde neu gemacht. Es gibt ein Paar Geschäfte. Die Häuserfassaden sind aus Stein und die Farbe Ocker ist allgegenwärtig. Die Ockersteinbrüche von Rousillon liegen auch nur sieben Kilometer entfernt.
Goults Lage ist ohnehin unschlagbar, inmitten des sogenannten goldenen Dreiecks, zu dem neben Goult auch Bonnieux, Gordes, Ménerbes, Oppède und Lacoste zählen. Die Orte liegen auf Hügelkuppen und sind umgeben von einer malerischen Landschaft mit Wein- und Lavendelfeldern und Mandel-, Oliven- und Aprikosenplantagen.
Wir lassen uns schon bald den Berg wieder herunterrollen. Im Tal stoppen wir bei einer Abzweigung. Rechts geht es auf einer ehemaligen Bahntrasse zurück zum Stellplatz, geradeaus nach Lacoste.
Eigentlich wollten wir ja nur kurz ein bisschen radeln. Aber Lacoste klingt einfach zu verlockend und wir radeln geradeaus und befinden uns nun auf der Straße am Nordhang des Luberon, die uns zu unserem provenzalischen Bergdorf Nummer 7 bringt.
Es gibt schnurgerade zypressengesäumten Auffahrten zu den Höfen, in Reihen angelegte abgeerntete Lavendelfelder, Olivenbäume und Weinfelder. Ich halte immer wieder an und mache Fotos.
Tatti tritt unermüdlich weiter in die Pedalen, schaut rechts und schaut links und haut mir ab. Es ist still hier. Nur die Grillen zirpen. Der Lavendel ist zwar jetzt im September grau anstatt lila. Macht aber nichts. Das gehört auch dazu.
Lacoste
Der Ort besteht aus einem steilen Hang mit eng beeinander gebauten hellen Kalksandsteinhäusern. Die Durchgangsstraße, auf der wir fahren, geht hauptsächlich unterhalb der Häuser entlang und wir kommen an einem einladenden Café mit balkonartiger Außenterrasse mit wunderschönem Panoramablick vorbei. Und dann sind wir auch schon wieder raus aus Lacoste.
Im Ort könnten wir enge und steile Gassen hochgehen zum Château, aber das wollen wir jetzt nicht mehr.
Hinter dem kleinen Dorf stoppen wir und schauen eine Weile ins hübsche Umfeld. Das Panorama ist fantastisch! Wir beschließen, dass wir jetzt wirklich zurückradeln und mit Susi essen.
Lacoste hat übrigens nichts mit der gleichnamigen Modemarke zu tun. Aber mit Mode schon. Denn der inzwischen verstorbene Modeschöpfer Pierre Cardin hat sich das Château oben auf dem Berg gekauft und es zu einem kulturellen Zentrum mit Kunst- und Musikveranstaltungen gemacht. Im Sommer finden im Schlosshof unter freiem Himmel Tanz-, Theater- und Musikaufführungen mit der provenzalischen Landschaft als Kulisse statt. Tickets kosten zwischen 50 und 200 Euro, aber die Karten sind schnell ausverkauft. Zu bestimmten Zeiten kann man auch einfach nur einen Teil des Schlosses besichtigen.
Beim Rückweg durch Lacoste kommen wir wieder an der schönen Caféterrasse mit Panoramablick vorbei, dem Café de France, und können dieses Mal seine unwiderstehlichen Lage nicht passieren ohne einzukehren.
Ein kleines Eis ist noch schnell drin! Es wäre eine Sünde, nicht an diesem zauberhaften Plätzchen zu verweilen.
Wir setzen uns unter schattenspendenden Bastmatten an den Rand der Caféterrasse. Hier könnte ich jeden Tag sitzen, mit meinem Laptop. Und Reisberichte eintippen. Wundervoller Sitzplatz! Ich schwärme und schwelge in der Vorstellung von mir als Poetin mit Strohhut in Lacoste.
In der Ferne sehe ich den Hügel mit den Häusern von Goult aus der schönen grünen Landschaft herausragen. Da waren wir ja gerade. Witzig! Von Hügel zu Hügel geradelt. Es ist echt ein berauschendes Paradies, dieses Luberon! Und gar nicht so touristisch! I
ch hatte mit jeder Menge Souvenirläden, Brasserien und großen Parkplätzen gerechnet. Aber es sind einfach nur authentische mittelalterliche Dörfer ohne viel Klimbim. Wirklich angenehm!
Nach einem Kaffee (Eis gab es nicht) müssen wir aber wirklich los. Der Heimweg geht ganz von selbst, nur bergabrollen lassen, vorbei an Lavendel- und Weinfeldern und Zypressenalleen.
Mit Fahrtwind im Gesicht und an Armen und Beinen. Ich liebe mein Leben, mein Fahrrad, den Wind und diese bezirzende Provence!
Im Tal biegen wir links ab und fahren noch ein kleines Stück Véloroute du Calavon, den Radweg auf der ehemaligen Bahntrasse. Die Calavon-Route führt 52 Kilometer durch den Luberon und ist praktisch zum Besuch des Gebietes mit den Rädern.
Beim ehemaligen Bahnhofsgebäude ist unser Stellplatz und wir stören Susis dösende Ruhe mit viel Geplapper und Geklapper.
- Hast du auch so einen Hunger?
- Oh ja!
- Ja, ich auch.
- Na, dann los!
Tatti und Susi braten Eier und Kartoffeln und ich darf lesen. Und abends sind wir früh müde. Viele Eindrücke und die viele frische Luft lässt uns tief und erholsam im goldenen Dreieck am kleinen Luberon schlafen.