Tag 19 Vercors Gebirge

 

Wir haben für die Heimreise noch die ganze nächste Woche Urlaub. Heute ist erst Samstag. Wir wollen uns viel Zeit lassen und auch Orte am Wegesrand besuchen, die unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. 

 

 

Bis nach Hause sind es ca. 1.400 km. Wir fahren bei Vieviers über die Rhône und müssten nun eigentlich erstmal auf der A7 gen Norden Richtung Lyon und dann weiter bis nach Beaune. Knapp vier Stunden Autobahn. Öde! 

 

 

Ich habe aber längst eine Alternative im Visier, das Vercors Gebirge. Es liegt zwar weiter rechts, aber wir können genauso gut im Bogen Richtung Nordosten und später dann weiter Richtung Annecy fahren und kommen dann direkt am Vercors-Nationalpark vorbei. 

 

Nach 130 Kilometern erhebt es sich rechts neben der Straße, das kleine Gebirge. Kurz vorm Gebirge, im Ort Saint-Nazaire-en-Royans schiebt sich uns ein hübsch in die Landschaft eingebettetes Aquäduct mit dem Vercors-Massiv im Hintergrund ins Blickfeld. 

 

 

Wir halten für ein Foto und ich sehe per Zufall, dass genau an der Stelle eine Straße hinunterführt. Ich gehe neugierig um eine Kurve und weiter hinunter und komme auf einem hübschen Platz am Wasser und am Fuße des Aquäducts mit sehr guten Parkmöglichkeiten heraus. Ich stiefele wieder zurück, rufe und winke meine Begleiterinnen mit den Wohnmobilen zu mir herunter. 

 

 

Ich freue mich über den hübschen Ort am Fluss Bourne und wir bauen spontan einen längeren Halt mit Frühstück ein.  

 

 

Man kann von hier auf eine Fußgängerbrücke mit toller Aussicht oder auch hier unten am Platz Kayaks mieten oder eine Karstöhle besichtigen, aber wir wollen nur am Fluss frühstücken und ein wenig gucken.

 

Am Platz herrscht Wochenendstimmung. Ich sehe ein Mädchen, das mit seinen Großeltern hier ist und im fliederfarbenen Sommerkleidchen mit Schmetterlingen darauf auf den Steg zuläuft. Sie entfernt sich von den Erwachsenen und hüpft auf dem Steg so nah am Wasser vor sich hin, das ich die ganze Zeit in Startposition bin um ihr zur Not schnell hinterher springen zu können. So bin ich eben. 

 

 

Unsere Fahrt führt uns schließlich durch einen Bogen des riesigen Aqädukts hindurch. Wir sind nun auf dem Weg zum nächsten Ort, nämlich Pont-en-Royans. Dort gibt es Häuser, die über den Fluss hängen. Und es gibt auch einen Wohnmobilstellplatz. Ich bin sehr gespannt! Nur noch zehn Kilometer. 

 

 

Der Vercors Nationalpark ist geprägt von Kalksteinfelsen, tiefen Schluchten und weitläufigen Hochebenen. 

 

 

Pont-en-Royans

 

Gleich beim Ortseingang sehen wir rechts unterhalb der Straße den Fluss und an dessen grasbewaschsenem Ufer den Wohnmobilstellplatz. Die Parzellen sind durch hohe Hecken getrennt und wir können zwei nebeneinander liegende Plätze beziehen. Die Duschen und Toiletten sind eine Katastrophe! Sie sind schmutzig und kaputt. Zum Glück haben wir ein eigenes WC und eine Dusche. 

 

 

Dafür ist die Umgebung sehr idyllisch und die Sonne scheint ununterbrochen. 

 

Wir holen unsere Campingstühle zwar raus, aber es ist so laut auf dem Rugbyplatz hinter uns, dass wir recht bald losziehen Richtung Dorfzentrum. Die Straße ist stark befahren, vor allem von Motorrädern. Unten am Fluss führt ein sehr schöner und ruhiger Fußweg entlang bis ins Dorf. Das wissen wir aber nicht und gehen deswegen im Lärm vorbei fahrender Motorräder auf einem engen Bürgersteig oben an der Straße entlang.

 

Die Bergwand hinter den Häusern des Dorfes ist beeindruckend nah und hoch.

 

 

 

Es ist ein kleiner Ort mit einer stark befahrenen Durchgangsstraße und der Motorenlärm nervt mich.

 

Aber als wir um die Ecke zum Fluss und zur Brücke kommen, wird es ruhiger.  Der Orstkern ist hübsch anzusehen mit pastellfarbenen Häusern, deren Balkone und Vorbauten über dem Fluss hängen. Und man spürt die Geister der Vergangenheit ein kleines bisschen. Alte Schilder und in die Jahre gekommene teilweise windschiefe Fensterläden hängen noch und es gibt keine Neubauten oder gar spektakuläre Restaurierungen. Alles scheint so wie schon immer geblieben zu sein. 

 

 

Von der Brücke sehen wir den breiten und sehr gepflegten Fußweg endlich auch. Er führt direkt am Fluss entlang Richtung Wohnmobilstellplatz. 

 

 

Wir gehen hinunter zum Fluss und kommen erstmal zu einem laut rauschenden Wehr, das das Wasser kräftig aufwirbelt. Am Flussufer stehen Picknickbänke.

 

Ein älteres Ehepaar sitzt aneinander geschmiegt auf einer Bank und schaut verträumt aufs Wasser. Auf einer anderen Bank sitzen zwei Mütter plaudernd am gedeckten Tisch und Kinder spielen im Gras. Es wirkt wie ein kleines Stück vom Paradies und bringt mich zum Lächeln. 

 

 

Wir nehmen den Fußweg am Fluss entlang zurück. Ein paar Meter weiter fließt die Bourne schon wieder mit so spiegelglatter Oberfläche friedlich und leise dahin als wäre nie etwas gewesen. 

 

 

Toller Ort! Unser Schlenker zum Vercors Nationalpark hat sich auf jeden Fall gelohnt! 

 

 

Zurück am Platz setzen wir uns kurz, aber schon schnell hält uns nichts mehr auf unseren Stühlen, denn hinterm Wohnmobil klingt die Stimmung so mitreißend, dass wir auch sehen wollen, was beim Spiel los ist.  

 

 

Die Spielzüge sehen interessant aus, sind aber für mich nicht zu durchdringen. Susi weiß ein bisschen Bescheid über die Regeln und ich schnall es trotzdem nicht, kann aber auch fast nichts verstehen, als sie versucht, es mir zu erklären.

 

Die Stimmung erinnert mich an Fußballspiele bei uns im Dorf. Nur, dass hier einzelne Spieler von ihrem Team hoch gen Himmel gehoben werden und dass der Ball nicht gerade rollen kann. Faszinierend, wie die den Typen da so hochschieben, sieht aus wie unkoordiniertes Chearleading mit mopsigen Männern. 

 

 

Danach machen wir unser zuhause und uns wieder fit und sauber. Tatti holt Wasser in den ekligen Duschhäusern und berührt dabei so wenig wie möglich die Kacheln und Susi und ich bauen eine Außendusche. 

 

 

Als die Lichter abends angehen, sind wir frisch geduscht und beseelt von dem neuen und uns gänzlich unbekannten Stück Frankreichs und essen draußen am Fluss. Nach dem Essen gehe ich nochmal den Fußweg am Fluss entlang zurück ins Dorf und sauge die romantische Abendstimmung am Fluss auf. 

 

 

Das, was mich am meisten berührt, ist, dass der Ort so wirkt, als wüssten die Leute hier noch gar nicht, wie zauberhaft es hier eigentlich wirklich ist. Die einzelnen Häuser sind nichtmal besonders schön oder so, sondern alt und teilweise mit zerbröckelnden Fassaden. Und oben im Ort hallt der Verkehrslärm. Aber trotzdem ist es hier in den Bergen unten am Fluss schön auf seine ganz eigene Art. Und wir dürfen wieder mal ein bisschen dazu gehören. 

 

 

Ich bummele zwischen den Lichtern herum und mache Fotos und plötzlich ist es dunkel.

 

Ich vergesse immer wieder, dass das in den Bergen so schnell geht.

 

Meine romantische Stimmung kippt in ein mulmiges Gefühl. Ich habe einfach zu viele True Crime Podcasts gehört und hier sind jetzt ganz schön viele dunkle Mauernischen. Ich gehe schneller, mein Herz klopft laut und mir wird warm. Als ich Tatti und Susi endlich im Schein der kleinen Petroleumlampe sitzen sehe, atme ich erleichtert auf. 

 

Ich frage, wie lange sie gewartet hätten, bis sie mich suchen gekommen wären, wenn ich gekidnapped worden wäre. Ich bekomme erstmal keine Antwort. Zu viele Wenns und Wäres, glaube ich. 

 

Wer sollte dich denn hier kidnappen? fragt Tatti dann. Gut, dass Tatti meine dysfunktionalen Gedanken für mich korrigiert. 

 

 

Unsere Frankreich-Rundreise bildet auf der Landkarte jetzt fast einen Kreis. Die Landkarte ist inzwischen reich gefüllt mit Magneten, die für  schöne Reisetage, schöne Orte und glückliche Momente stehen. Und es ist zum Glück noch nicht zuende. Morgen geht es weiter. 

 

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