Heute wird es wieder mondäner. Das Vercors-Gebirge merken wir uns und wir verlassen es für dieses Mal erstmal wieder. Denn es näher zu betrachten, bräuchte ein paar Tage.
Wir wollen Annecy ansteuern, denn wir wollen es Susi zeigen. Wir sind dann 175 Kilometer näher an zu Hause und müssen dafür jetzt erstmal zwei Stunden fahren. Dort kennen wir einen sehr schönen Schlafplatz bei einer Kirche.
Die Gegend dorthin ist hügelig und grün. Wir nehmen eine Nebenstrecke über Saint Geoire en Valdaine, tanken und kaufen ein paar Lebensmitel in einer Art Scheune.
Wir frühstücken am Straßenrand mit Rosamunde Pilcher-Blick und fahren dann gleich weiter.
In Annecy steuern wir unseren Schlafplatz vom letzten Mal an und fahren dafür einen Hügel hoch zur Basilique de la Visitation. Der Parkplatz vor der Basilika steht aber leider voller Autos und Wohnmobile und ich stelle fest, dass es inzwischen nicht mehr gerne gesehen wird, dort zu übernachten. Wie schade! Aber verstehe ich auch. Das ist schließlich deren Besucherparkplatz.
Tagsüber parken dürfen wir hier aber wenigstens und wir finden auch noch zwei Lücken. Eine lange Treppe führt hinunter zum Zentrum am See.
Unten im Ort holen wir uns erstmal ein Eis bei der besten Eisdiele Annecys, bei Glacier des Alpes mitten in der Stadt. Wir lieben Eis.
Wir schlendern am türkisfarbenen Fluss Thiou entlang zum ebenso türkisfarbenen See, dem Lac d´Annecy. Annecy ist voll mit Touristen aus sämtlichen Ländern. Die Leute machen überall Fotos und freuen sich über die vielen fotogenen Ecken und die satten Farben. Und Susi und ich auch.
Die zarten Farben der Wände, die verschnörkelten Geländer und die üppigen Blumenarrangements bilden - so finde ich - das perfekte Ambiente zum Verlieben und machen die Stadt zusammen mit dem Fluss und dem See bezaubernd.
Auf dem See schaukeln Holzboote und auf den Stegen flattern rote Schirme im Wind. Der türkisfarbene See mit den Bergen im Hintergrund lädt zum Spaziergang an seinen Ufern ein. Dort hinten, weit oben in den Bergen sind wir vor über zwei Wochen bei unserer Ankunft in Frankreich unterwegs gewesen.
Im Jardin de l´Europe erzähle ich Susi, was es mit der Ponte des Amours auf sich hat, nämlich dass diejenigen, die sich darauf küssen, ewig zusammenbleiben.
Tatti und ich küssen uns darauf und Susi macht ein Bild. Und zwei Monate später werden wir heiraten. Dass wir irgendwann heiraten wollen, wissen wir zwar schon, aber dass es so schnell geht und zwei Monate später sein wird, muss an der Brücke liegen.
Wir bummeln durch die Fußgängerzone und kaufen klappbare Opinel-Messer für die Picknickkörbe meiner Töchter als Mitbringsel.
Dann fotografieren wir noch das meistfotografierte Gebäude Annecys, den Palais de l´Île. Es liegt mitten im Fluss Thiou, war früher Burg und Gefängnis und beherbergt heute ein Museum.
Danach trödeln wir am anderen Ufer des Flusses Thiou gemächlich zurück zu den Treppen, die uns nach oben zurück zu unseren Fahrzeugen bringen.
Wir verlassen Annecy wieder. Gut eine Autostunde nördlich steuern wir den Ort Excenevex am Südufer des Genfer Sees an, denn dort ist ein Wohnmobilstellplatz einer Kette, der Flotte Bleu. Schön unkompliziert, nehmen wir an, und das Südufer des Genfer Sees ist ja vielleicht auch spannend.
Vor der Schranke wird es aber auch hier wieder kompliziert. Tatti und ich kommen mit unserem Wohnmobil noch auf den Platz, Susi mit ihrem Bus nicht. Auf dem Display steht plötzlich, dass der Platz voll sei, aber es sind noch sehr viele freie Plätze zu sehen. Also nehme ich am Terminal telefonischen Kontakt zu einer Frauenstimme auf.
Ich solle zur Anmeldung gehen, meint sie. Sie will aber nicht akzeptieren, dass hier keine Anmeldung ist. So geht es die ganze Zeit hin und her bis wir beide merken, dass sie denkt, wir würden beim Campingplatz hier um die Ecke stehen, der aber schon in Winterpause ist.
Was machen sie da? Der Platz hat geschlossen, sagte sie irgendwann streng. Ich bin kurz vorm Durchdrehen. Sie scheint nichts von dem Wohnmobilstellplatz zu wissen, für dessen Schranke sie verantwortlich ist.
Erst als ein französisches Wohnmobil dazu kommt, und die französische Beifahrerin nochmal Kontakt zu der unwissenden Frauenstimme aufnimmt, geht die Schranke wie durch ein Wunder hoch und lässt Susis Bulli und das französische Wohnmobil auf den Platz.
Glücklich wiedervereint diesseits der Schranke, holen Tatti und Susi einen Picknicktisch vor unsere Schiebetür und wir bereiten ein fröhliches Abendessen im frühherbstlichen Nordfrankreich zu.
Danach machen wir einen kleinen Abendspaziergang zum Seeufer, das an dieser - also der französichen - Seeseite friedlich und unspektakulär daliegt. Wenn man sich die Schweizer Berge im Hintergrund wegdenkt, sieht es hier so aus wie bei uns an einem etwas größeren schleswig-holsteinischen See.