Tag 21 Colmar

 

Der Tag beginnt abenteuerlich, denn Susi kommt nicht vom Stellplatz. Immer wieder versuchen wir alle möglichen Variationen, die Schranke offen zu bekommen, geben einen Pin ein, versuchen Kontakt zur helfenden Telefonstimme zu bekommen, sind ratlos. Die Stimme bleibt stumm. Niemand hilft und Susi ist gefangen. 

 

 

Ich finde es ein bisschen witzig, aber vor allem verursacht es meiner Nomadenseele großes Unbehagen, eingesperrt und ausgeliefert zu sein.

 

Irgendwann entdeckt Tatti bei der Ver- und Entsorgungsstation einen Fluchtweg, eine Lücke zwischen Sichtschutz und Bäumen. Mithilfe unserer Auffahrkeile und Tattis Handzeichen schleicht Susi sich schließlich mit ihrem Bulli vom Platz. 

 

 

Danach müssen wir noch ziemlich oft darüber lachen. Aber in dem Moment war es mir todespeinlich. Ich habe mich auch nicht umgedreht zu den anderen Wohnmobilen. 

 

Nun können wir aber endlich los und wir fahren am Südufer des Genfer Sees entlang gen Osten. Die französische Strecke ist sehr schön, ländlicher, ohne Prunk,  auch ein bisschen verwegen irgendwie. Es ist leer und wir haben die ganze Zeit einen schönen Ausblick auf den See und durchfahren einige ruhige Orte mit Seepromenade. 

 

Wir wollen uns heute unserem Zuhause wieder ein größeres Stück nähern. Und da ich schon immer mal sehr dringend ins Elsass wollte, bauen wir Colmar mit in unsere Heimreise an. Das Elsass ist ein schöner Abschluss für unsere vielseitige Frankreichrunde!

 

 

Immernoch am Südufer des Genfer Sees stoßen wir mitten im Ort Saint Gingolph plötzlich auf eine Reihe Fahnen und ein kleines Grenzhäuschen. Huch, die französisch-schweizerische Grenze mitten im Dorf?

 

Wir fahren über eine kleine unscheinbare Brücke und sind - schwups- im Schweizer Wallis. Die schnellste Route nach Colmar führt durch die Schweiz. Und die Schweizer Autobahnplakette haben wir ja. Sehr praktisch!

 

 

Wir halten auf der Schweizer Seite und steigen aus. Tatti und Susi mache eine Zigarettenpause.

 

Ich gehe alleine am Wasser entlang ein Stück zurück. 

  

 

Ich passiere einen kleinen Minihafen und Appartementhäuser und Restaurants mit Seeblick. Heute dominiert der Tourismus hier, früher war es Fischfang und Holz aus den Alpenwäldern. Die Baumstämme wurden direkt schwimmend auf den Weg gebracht. Und der Ort war auch durch seine Lage auf der Grenze zwischen Frankreich und der Schweiz ein wichtiger Handelspunkt. 

 

 

Ich gehe zu Fuß zurück nach Frankreich und amüsiere mich wie Bolle darüber, dass das geht. Ich sage zu mir selber, lass´ mal nach Frankreich gehen, Bro, und lache in mich hinein. 

 

 

Ich bleibe auf der Grenzbrücke stehen und genieße das Besondere an diesem schweizerisch-französischen Moment. Ich mache jede Menge Fotos ohne auf die Leute zu achten. Ein alter Mann, der mit anderen Männern und mit Sektgläsern vor einem Café sitzt, beobachtet mich und hebt lachend seine Hand zum Gruß.

 

Ich grüße zurück und muss auch lachen. Schön habt ihr es hier, denke ich, und dass die Männer es richtig machen. Nutzt eure Momente, Leute, in dieser wunderschönen Welt!

 

 

Unsere Fahrt geht weiter durch das fruchtbare Rhônetal, das hier geprägt ist vom See, den Bergen und dem Weinbau. 

 

 

Wir kurven um das Ostende des Sees herum und fahren jetzt in einer Höhe von 250 Metern am Nordufer entlang. Wir befinden uns hier auf der uns schon von der Hinfahrt bekannten Landschaftsterrasse mit ihren Weinhängen und dem Seeblick. Aber jetzt ist alles in das Licht der Oktobersonne getaucht und der Urlaub und die Reisesaison geht in großen Schritten dem Ende zu. 

 

 

Recht schnell biegen wir ab gen Norden und geben Gas. Wir verlassen die Freiburger Voralpen, und kommen wieder am Lac de la Gruyère, den wir schon vom Hinweg kennen, vorbei. Die Straßen werden voller und im Umkreis von Basel ist wieder dichter Verkehr. Das hohe Verkehrsaufkommen nach unseren ruhigen Routen oben in den Alpen oder in den provenzalischen Hügeln macht die Heimkehr nicht gerade leichter. 

 

 

Aber dafür gönnen wir uns ja zum Abschluss noch das hübsche Fachwerk-Colmar und ein wenig elsässische Küche! 

 

In Collmar steuern wir den Camping L´Ill am Ufer das Stadtflusses Ill an. An der Einfahrt steht ein Schild, auf dem complet (voll) steht. Auf dem nächsten Platz am Yachthafen haben wir mehr Glück und ergattern jetzt am späten Nachmittag einen der letzten Plätze. 

 

 

Von unserem Stellplatz sind es knapp 20 Minuten zu Fuß bis in die Innenstadt. Es ist so voll, dass ich mich frage, ob es immer so ist oder an den Farben des Herbstes oder daran, dass Weinlese ist, liegt. 

 

 

Wir sind hungrig und lassen uns bei einem Restaurant auf dem erstbesten Platz, dem Place de l´Ancienne Douane, nieder. Wir landen beim Restaurant l´Escale und genießen sehr leckeren Flammkuchen mit Parmaschinken und köstliche Roestis, und dazu  Gingerbier und Weißwein. In den nächsten Monaten wird Tatti in jedem Supermarkt, in dem wir sind, verschiedene Sorten Gingerbier kaufen, aber keines finden, das ihr so gut schmeckt wie dieses. 

 

 

Während des Essens wird es langsam dunkel und die Lichter der Fußgängerzone gehen an. Wir essen, trinken, reden, lassen unsere Reise Revue passieren und sind einfach nur glücklich, wir drei. Das tut gut! Das dürfte bitte immer immer immer so weitergehen! Wir denken vorsichtshalber nicht darüber nach, dass vor uns ein kalter und grauer Winter mit unzähligen Arbeitstagen liegt. 

 

Beim Essen fällt uns ein, dass heute in Deutschland alle frei haben, es ist der 3.Oktober. Deswegen ist hier so viel los! Und die Rhein-Brücke, die nach Deutschland führt, ist nur 20 Kilometer entfernt. Och nö, Deutschland und der Alltag schleichen sich heimlich und unaufhaltsam zurück in unser Leben. Leiderleider! 

 

 

Satt, träge und zufrieden machen wir nach dem Essen einen kleinen Spaziergang durch das nähere Umfeld. Colmars Altstadt ist wirklich malerisch mit Fachwerkfassaden und üppig geschmückten Fenstersimsen und Fensterläden und überbordenden Blumenkästen an den Kanälen. 

 

 

Wir schauen uns ein paar kleine Gassen und einige Schaufenster an und genießen einen ruhigen Moment auf dem vom Trubel abgeschirmten Place de la Cathédral bei der St.Martinskirche. Heute Abend leuchtet die Sandsteinfassade der Kirche in warmen Farben und das gotische Bauwerk ragt mit seinem Kupferdach weit in den Himmel.  

 

 

Wir entdecken niedliche Cafés und Läden mit kulinarischen und handwerklichen Waren und auch Weihnachtsdeko. Und dabei war ich doch gerade noch im Lavendelhügel-Rausch! Ich fühle mich wie in einer Zeitmaschine, die mich raus aus dem Sommer, rein in den Winter katapultiert.

 

Wir sehen an jeder Ecke verlockende Menükarten vor den Restaurants und leckeres Essen auf den Restauranttischen.  

 

 

Ich kaufe eine schön kitschige Ansichtskarte für mein Reistagebuch, natürlich auch wieder einen Colmar-Magneten und einen kleinen Lebkuchenanhänger für den Weihnachtsbaum. Danach trollen wir uns recht bald zurück Richtung Stellplatz, denn wir wollen uns Colmar erst morgen und in aller Ruhe bei Tageslicht ansehen.  

 

 

Wir sind müde vom ereignisreichen Tag, der mit unserer kleinen Flucht vom Genfersee startete und an dem ich zwischen zwei Ländern hin und herwanderte, einen netten Gruß von einem Fremden und einen Kuss von meiner zukünftigen Frau auf der Brücke der Liebe bekommen habe...

 

Das elsässische Abendessen mit Weißwein sorgt für eine ordentliche Bettschwere bei mir, mit der ich auf unserem 1,5 Kilometer langen Fußweg zurück zu kämpfen habe. Wann kommt der Stellplatz denn endlich? Meine Beine tun weh und ich kann nicht mehr! Ich will mein Bett!!! 

 

 

Endlich sehe ich die Lichter unseres Stellplatzes am Hafen. Da ist die Schranke bei den Waschmaschinen. Jetzt zum Wohnmobil. Tür auf. Klo. Katzenwäsche. Zähne putzen. Ausziehen. Auf´s Bett krabbeln. Und weg bin ich schon. Im Träumeland. 

 

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