Morgens um 9 starten wir.
Die kleine spektakuläre Route Crêtes Pallud-sur-Verdon ist 6,4 Kilomter lange und beginnt und endet in Pallud-sur-mer.
Kurz hinter dem Campingplatz biegen wir ab und es geht schon bald bergauf.
Schon beim ersten Haltepunkt - dem Belvédère de la Dent d´Aire - wird uns schwindelig als wir an der Steinmauer stehen und uns früh am Morgen über den Abgrund beugen.
Die Schönheit des Ortes nimmt mir wieder den Atem, genauso wie bei meinem ersten Besuch.
Wir sind gerade wach und der Anblick der Natur ist so spektakulär schön, dass der Moment mir - so müde wie ich noch bin - total surreal vorkommt.
Wir sind fast ganz alleine hier und es ist so still wie es nur oben in den Bergen sein kann.
Außer uns sind hier nur zwei junge Männer, die sich an ihrem geöffneten Kofferraum gerade zum Klettern bereit machen.
Wir beobachten einen von ihnen, der oben an den Seilen über dem Abhang hängt und auf seinen Kumpel wartet.
Dann dauert es uns aber zu lange bis er startet und wir fahren weiter.
Kurz vorm Tunnel - beim Belvédère de la gorge de Guégues - stoppen wir nochmal, jetzt knapp unter den Wolken.
Ein würdiger Ort für ein Selfie von uns Dreien, finden wir. So muss sich Urlaub anfühlen!
Diese Runde funktioniert nur im Uhrzeigersinn, denn hier oben ist ein Teilstück Einbahnstraße, weil es zu eng wäre, wenn ein Auto entgegenkäme.
Und das ist auch gut so!
Die Straße verläuft so eng am Felsen und über dem Abgrund, dass man auf jeden Fall schwindelfrei sein sollte, wenn man hier entlang fährt!
Wir sehen auch Camper, die hier oben in ihren Vans übernachtet haben.
Die kleine Runde endet wieder in Pallud-sur-Verdon, wo wir bei der Pizzeria links abbiegen und wieder zurück Richtung See fahren.
Echt süß, dieses kleine verschlafene Pallud-sur-Verdun. Adieu, nettes Dorf.
Die kleine extraspektakuläre Runde war ein wunderschöner Abschluss für die Gorges du Verdon. Jetzt geht unsere Reise weiter gen Süden.
Auf einer Tafel am Rand der Verdonschlucht steht, dass man sich nicht in das Flussbett des Verdon oder auf die Inseln darin wagen sollte, da das Wasser aufgrund des Betriebs des Staudamms plötzlich ansteigen kann.
Oh Gott, wie schrecklich! Wenn ich mir vorstelle, dass du stehst und weggefegt wirst!
Unten fahren wir über die Brücke und dann am Seeufer entlang.
Wir suchen mal wieder einen Bäcker. Der Magen grummelt und es wird Zeit für ein Frühstück.
In einem kleinen Laden - dem Orapimarkt in Les-Salles-Sur-Verdon - der von außen aussieht wie ein Tankstelle, soll es Baguette geben.
Innen sieht der Laden nostalgisch schön aus. Die Regale sind reichhaltig gefüllt mit besonderen Lebensmittel und Weinen.
Ein Mann nimmt sich aus einer Lake eine Art Käsetaler.
Sieht interessant aus. Das kaufe ich uns auch. Crottins Fond steht darauf. Bin gespannt.
Jetzt noch Baguette und ab zum Auto.
Crotins Fond entpuppt sich als Ziegenkäsetaler.
Bei einem schnellen Frühstück auf einem Waldparkplatz entscheiden wir uns für die Mittelmeerküste als nächstes Ziel.
Auf dem Weg dorthin wollen wir nacheinander einen Wasserfall, ein kleines Dorf mit Schloss und ein Kloster besuchen.
Der Wasserfall heißt Cascade de Sillans und sorgt für maximalen Frust bei uns. Wir finden keine Parkmöglichkeit für Wohnmobile!
Nirgends! Wir fahren die nähere Umgebung ab.
Wir sind ratlos. Überall sind Wohnmobil-Verbotsschilder, so dass wir beleidigt wieder abzischen.
Zwanzig Minuten später parken wir anstattdessen auf einem großen Parkplatz am Ortsrand von Entrecasteaux und fühlen uns willkommen, weil hier ausreichend Platz ist und es nichts kostet.
Entrecasteaux ist ein kleines Dorf an einem Hang im Département Var mit einem Schloss mit schönem Schlossgarten.
Der kleine Garten wurde nach dem Vorbild Versailles vom Gärtner König Ludwigs XIV entworfen. Ludwig der XIV verfolgt einen in Frankreich überall.
Wir spazieren um den Garten herum und gehen dann die Treppen zwischen den Häusern hoch.
Es soll eines der schönsten Dörfer im Var sein. Es ist ein bisschen rustikaler als die meisten Dörfer in der Provence.
Wir finden es sehr nett, auch wenn es nicht so lieblich ist.
Wir gehen zum höchsten Punkt des Dorfes und schauen hinter den Häusern runter zum Fluss La Bresque.
An einer alten Steinbrücke stehen ein altes Wasch- und ein Jagdhaus, eine kleine Idylle.
Wir gehen am Fluss entlang, kommen unter einem kleinen Aquäduct hindurch und sind schon wieder beim Parkplatz.
Fünfzehn Kilometer weiter fahren wir auf den Parkplatz des Klosters Le Thoronet. Der Parkplatz ist groß und schön angelegt mit einem Bistro und Picknickplätzen. Leider ist er scheinbar nur für Kleinwagen geplant, hat lauter enge Sackgassen mit engen Plätzen.
Als wir nach viel Rangiere wieder raus sind, parken wir auf dem Busparkplatz.
Es gießt inzwischen in Strömen und wir gehen mit Regenjacken und Regenschirm um die Pfützen herum zum Eingang des von Wald umgebenen Klosters. Hunde sind verboten, aber Susi erklärt sich netterweise bereit, mit Hannes draußen zu bleiben.
Vom Eingang mit Souvenirshop gelangen wir auf einen kleinen Platz und dann direkt in die große Klosterkirche im Zentrum des Anwesens.
In der Klosterkirche steht eine Besuchergruppe unter der Apsis. Eine Frau erklärt, dass die Kirche eine perfekte Akkustik habe, und beginnt plötzlich zu singen, laut und glockenhell.
Wow, das klingt wirklich gut! Selbst am anderen Ende des großen Kirchenschiffes ist es, als singe die Frau direkt neben unseren Ohren!
Die Klosteranlage ist schlicht und geometrisch. Es gibt kaum Verzierungen an den Gebäuden. Nichts sollte bei der inneren Einkehr ablenken.
Ich will das nachspüren und zwinge mich zur Ruhe, verlangsame meine Schritte und atme ruhig ein und aus. Sowas funktioniert auf die Schnelle natürlich nicht. Bei mir schon gar nicht! Neugierig blicke ich um mich.
Vor mir schreitet Tatti selbstzufrieden mit ihren Händen auf dem Rücken über die alten Steine. Sie kann ziemlich gut an nichts denken. Auch auf die Schnelle. Wie macht sie das bloß?
Rechts geht es in einen einfachen Raum mit Bänken aus Stein, dem sogenannten Palarium. Nur darin und in der Kirche durfte gesprochen werden.
Ich gehe hinein, setze mich auf die oberste Bank, winke Tatti heran und verkünde feierlich Unser heutiges Thema ist..
Tatti lacht und setzt sich dazu. Wir reden darüber, wie das Leben hier wohl gewesen sein muss. Und frage, ob es wohl auch heimliche Liebesbeziehungen gab. Tatti verdreht die Augen.
Ich bin mir da - ehrlich gesagt - ziemlich sicher. So den ganzen Tag ungestört in der Sonne in der Abgeschiedenheit, dann der Wein dazu... Tatti meint, dass die nur gebetet, gegessen, gearbeitet und geschlafen haben. Hm, naja.
Wir kommen zu einem Brunnen, der den Mönchen Wasser zum Waschen und zum Trinken lieferte. Der Boden des Brunnens ist bedeckt mit Geldmünzen. Okay, vorausgesetzt es stimmt, dass Brunnenwasser göttliche Wesen in sich trägt, wenn nicht hier, wo dann?
Ich will also eine Münze werfen, stehe am Rand und denke über meine Bitten an die göttlichen Wesen nach.
Glück natürlich, Gesundheit sowieso. Und Essen und Frieden für alle. Ok, das haben wir. Jetzt noch die Münze reinwerfen.
Ich stelle mein Handy auf, starte eine Videoaufnahme, gehe an meinen Platz zurück, lächle in die Kamera und als mein 50-Cent-Stück fliegt, tritt Tatti zwischen mich und die Kamera ohne es zu merken. Na toll.
Also nochmal. Ich habe nur noch ein 2-Euro-Stück. Egal.
Als es feierlich durch die Luft fliegt, höre ich Tatti fragen Wie lange dauert das denn noch? Wieder gecrasht. Egal jetzt.
Ich schaue den Münzen hinterher, nehme mein Handy und folge ihr Richtung Treppe.
Tschüss, göttliche Vielleicht-im-Wasser-Wesen! Viel Spaß mit meinen 2,50 Euro.
Die Treppe führt auf ein begehbares Gebäudedach.
Nach einer Runde mit Blick in den Innenhof gehen wir wieder runter und durch Mauerreste.
Das waren der Essraum, die Küche und ein Wärmeraum.
Jetzt sind wir im Vorratsraum. Hier wurden Wein und Olivenöl aufbewahrt, was die wichtigsten Einnahmequellen des Klosters waren. Wir schauen uns eine hölzerne Ölpresse an und ziehen weiter.
Das Leben im Kloster, im Olivenhain und im Weinberg stelle ich mir zwar sehr anstrengend aber auch sehr schön vor. So friedlich.
Mit einem kleinen Affärchen vielleicht. Oh Gott, ich kann nicht anders als so zu denken. Mögen mir die keuschen Mönche vergeben!
Zum Abschluss gucken wir uns noch kurz den Olivenhain hinter dem Kloster an und düsen wieder los.
In zwanzig Kilometern Entfernung ist ein Camping-Car Park im Ort Le Val.
Vor der Schranke kann Susi sich endlich eine Zugangskarte am Automaten ziehen und wir laden beide Karten großzügig mit Guthaben auf.
Wir kommen dieses Mal ohne Probleme auf das Gelände.
Schwupps - Schranke hoch - zack - nebeneinander einparken. Fertig! Superpraktisch und superunkompliziert! So soll es sein!
Nach uns ankommende Camper stehen so wie wir gestern lange vor der verschlossenen Schranke, suchen hektisch im Handy, lesen die Instruktionen am Terminal und haben angespannte Gesichter.
Wir spazieren an einem Sportplatz entlang zum kleinen Ortskern mit ein paar Geschäften, und suchen eine Pizzeria.
Wir entdecken sie in einer Nebenstraße. Sie ist unordentlich und irgendwie schmuddelig. Ratlos stehen wir davor und schauen uns fragend an. Was meint ihr? Da was holen? frage ich trotzdem.
Ich denke nicht, sagt Susi und zeigt auf den Eingang. Dort liegt ein junger Mann auf dem Boden. Neben ihm stehen weitere junge Männer.
Oh Gott, entfährt es mir und ich starre ihn an.
Drogen, sagen meine beiden Begleiterinnen wie aus einem Munde.
Ich dachte schon, der ist tot! sage ich. Dachte ich echt.
Uns ist die Lust auf Pizza vergangen. Und auch die Lust auf Le Val. Schnellen Schrittes gehen wir zurück zum Wohnmobilstellplatz und kochen Spagetthi.
Der Tag war trotz Le Val wieder megaschön mit der spektakulären Verdunschlucht und der glockenklar singenden Klosterfrau!