In der Nacht ruckelt der Wind ganz schön doll am Wohnmobil und ich frage mich, ob hier oben so starke Sturmböen sein können, dass wir im Schlaf von der Kante gefegt werden könnten. Ich wäge ab, ob ich Tatti wecken sollte. Vor dem Hintergrund der angespannten Lage vom Nachmittag verzichte ich aber lieber darauf. Erstens wiegt unser Wohnmobil um die drei Tonnen. Zweitens ist vor uns kein ganz schlimmer Abgrund. Nur ein bisschen. Wir würden das überleben. Und so schaffe ich die Nacht auch mit einer schlafenden Tatti.
Am nächsten Morgen wollen wir wandern. Am Liebsten würde ich die drei Zinnen umrunden, weiß aber nicht, ob unsere Kondition dafür ausreicht. Als wir rausschauen, staunen wir aber erstmal Bauklötze. Alles ist mit einer dünnen weißen Schneeschicht bedeckt. Auch unser Wohnmobil. Nanu?!
Wir ziehen uns warm an, holen alle Jacken raus, die wir finden können. Über meine Hände ziehe ich Socken. Dann marschieren wir los.
Der Weg ist rutschig, besonders auf den Steigungen müssen wir aufpassen. Die Kälte schneidet ins Gesicht und Tatti hat von der dünnen Luft hier oben Kopfschmerzen.
Also herrschen keine guten Bedingungen für eine Zinnenumrundung. Rückenschmerzen sind auch noch dabei.
Schnee weht uns ins Gesicht und wir stecken die Höhe einfach nicht so gut weg. Ich habe eiskalte Hände.
Wir haben auch nicht die richtige Kleidung für eine Winterwanderung mit. Es macht einfach keinen Spaß so. Wir kapitulieren schweren Herzens und brechen nach einer halben Stunde ab und drehen um.
In der Ferne sehen wir die viele Menschen wie Ameisen hintereinander am Berghang entlangwandern.
Als wir zurückkommen füllt sich der Parkplatz. Ununterbrochen kommen mehr Autos, Busse und Wohnmobile dazu.
Ich sage mir, dass es wichtig ist, dass wir unsere eigenen Grenzen akzeptieren, bin aber in Wirklichkeit ganz schön traurig. Wir werden trainieren und werden zu einer etwas milderen Jahreszeit wiederkommen. Das verspreche ich mir jetzt und beruhige mich damit. Und dann fahren wir die Passstraße wieder hinunter zu Plan B, der übrigens auch ganz passabel ist.
Pragser Wildsee
Vierunddreißig Kilometer weiter parken wir auf dem Besucherparkplatz des türkisfarbenen Pragser Wildsees und gehen zum Seeufer.
Der Pragser Wildsee, auf italienisch Lago de Braies, ist ein beliebtes Fotomotiv. Nun dürfen wir für eine Weile Teil dieser türkisfarbenen Wunderwelt sein.
Wir wollen eigentlich nur mal kurz am Seeufer gucken und ein paar Fotos schießen.
Wir gehen dafür ein paar Meter im Uhrzeigersinn am Ufer entlang. Und dann ist es so schön, dass wir nicht mehr aufhören können, am Ufer entlangzugehen.
Und so sind wir plötzlich am gegenüberliegenden Ufer und müssen ein Stück steil nach oben steigen. Und dann wieder runter und wieder hoch und wieder runter. Ganz von selbst umrunden wir den See.
Immer wieder schimmert der See anders. Und die hölzernen Boote auf dem Wasser vervollkommnen die Idylle.
Dann sind wir einmal rum und finden, dass dies ein würdiger Abschluss für diese wundervolle Herbstreise ist und machen uns erfüllt und voller schöner Eindrücke auf den Weg Richtung Heimat.
Rückreise bis Österreich
Wir schaffen es recht rasch über die Brenner-Autobahn auf die andere Seite der Alpen und werden in Österreich kurz vor der deutschen Grenze müde. Wir biegen ab nach Schwaz.
Den Wohnmobilstellpatz im österreichischen Schwaz kennen wir schon. Der ist gut als Transitplatz. Ein einfacher gepflasterter Parkplatz zwischen Wohn- und Geschäftshäusern neben einer Wiese mit einem tollen Blick auf die Berge.
Und am gegenüberliegenden Ufer der Inn gibt es leckeren Döner. Demnächst wird es hier hier leider keinen Stellplatz mehr geben, sondern an einer anderen nicht so idyllischen Stelle im Ort. Hier kommt ein Parkhaus hin. Schade schade schade!
Tatti guckt Fernsehen. Ich gestalte die letzte Reisetagebuchseite und es kommt mir so vor, als hätte ich den Tag heute und überhaupt alles nur geträumt.
Im Nachhinein wirken so wunderbare Tage irgendwie immer so surreal. Und dieses Mal ganz besonders, zumal wir aus einem Jahr mit großem Leid kamen und nun wieder alle Farben dieser Welt zurückhaben. Das hätte ich mir im letzten Herbst nicht vorstellen können.
Den Platz da oben wird es ja in Kürze nicht mehr geben, da dort ein Parkhaus gebaut wird. Dafür wird Schwaz an der Hauptstraße folgenden Wohnmobilstellplatz zur Verfügung stellen...