Am nächsten Morgen bin ich früh wach und gleich furchtbar aufgeregt, wie immer, wenn wir aufbrechen zur Weiterreise. Ich ziehe mir schnell etwas über, steige leise durch die Schiebetür aus und schiebe sie behutsam zu.
In den Wohnmobilen hier am Ufer des Kanals regt sich noch nichts und Niemand. Alles schläft und ich lausche der Stille und beobachte den aufsteigenden Morgennebel über der Wasseroberfläche.
Wir starten um neun und stehen nach hundertzwanzig Kilometern kurz vor München im Stau. Ich entdecke, dass wir den Tegern- und den Achensee ansehen könnten, wenn wir anstatt der Autobahn im großen Bogen zu folgen, eine Abkürzung gen Süden nehmen.
Das ist eine geniale Sache, finde ich! Also sage ich es genauso zu Tatti. Sie reagiert erstmal nicht. Ich schaue sie an und warte. Dann stimmt sie zu. Ich vermute, sie hat morgens gegen zehn an Urlaubstag zwei einfach keine Lust, meinem Enthusiasmus etwas entgegenzusetzen. Eigentlich gehört sie eher zur Bloß-Nicht-Verzetteln-Fraktion. Meine fixe Idee und ich haben aber heute Glück, Tatti setzt an der Abfahrt Holzkirchen den Blinker und wir verlassen die A8.
Alpengucken in Miesbach
Und da sehen wir es auch schon direkt vor uns: Das Alpenpanorama. Für Menschen, die hier im Voralpenland leben, mag das albern klingen, aber uns Norddeutsche flasht der Anblick jedes Mal wieder. Die Alpenkette, die da mit all ihren Schattierungen in den Himmel ragt, ist so wunderschön und imposant. Und dahinter liegen die Sonnenländer. Willkommen im Urlaub!
Tegernsee
Als wir uns dem Tegernsee nähern, stehen wir wieder im Stau. Und das ist kein kleiner Stau. Ausgerechnet heute findet ein Volkslauf, der Tegernseelauf, statt. Na toll! Die Straßen um den See sind komplett gesperrt. Eigentlich will ich Tatti das jetzt am Liebsten gar nicht verraten. Mache ich auch nicht. Ich rümpfe die Nase und schiele zu ihr rüber. Sie sieht es jetzt selber. "Ich hab's geahnt." Es wäre doch schlauer gewesen, auf der Autobahn zu bleiben.
Der Himmel ist grau und das Wasser ist auch nicht gerade blau. Wir verzichten auf Parkplatzsuche und Spaziergang und ich bin gespannt auf den nächsten See. Die Stimmung im Auto ist leicht gereizt. Wir brauchen dringend etwas zu essen.
Achensee
Die fünfundvierzig-minütige Fahrt zum Achensee führt uns über den neunhundert Meter hohen Achenpass. Wir fahren durch dicht bewaldete Gebirgslandschaften und passieren irgendwo im Nichts eine verlassene Grenzstation und sind in Österreich.
Der Achensee begrüßt uns eingebettet zwischen hohen Bergen und mit angenehm leeren Straßen.
Wir fahren entspannt am Wasser entlang und entdecken einen idealen Frühstücksplatz direkt am Ufer. Wir frühstücken im Wohnmobil und schauen dabei auf den See und das steil abfallende Karwendelgebirge am gegenüberliegenden Ufer.
Nach Kaffee, Brot und Ei können wir auch wieder richtig nett zueinander sein. Essen hilft meistens. Wir frühstücken gerne an besonderen Orten.
Nach dem Frühstück gehen wir um das Nordufer. Ich mag den Achensee. Er hat Charme und liegt friedlich und unbekümmert da mit den Alpen drumherum. Und die Bewegung an der frischen Luft tut gut.
Südtirol
Nach der anstrengenden Brenner-Autobahn und knapp drei Stunden Fahrtzeit verlassen wir die A22 und fahren durch die Wein- und Obsthänge Südtirols. Die Landschaft ist schön, einladend und die Orte sind gepflegt. Die Plantagen sind saftig grün und wir haben immer wieder schöne Ausblicke auf die Hügel. Wir steuern zielsicher einen uns bekannten Stellplatz am Nordufer des Kalterer See an. Ich freue mich schon auf unkompliziertes Ankommen. Die Gegend schon zu kennen, macht die Planung entspannter. Ich muss nicht lange nach Schlafplätzen suchen und Beurteilungen lesen. Ich kann mich jetzt einfach auf das Fleckchen Erde vorm Campingplatz Gretl freuen. Wir würden unkompliziert auf den wenig besuchten Platz fahren, dachte ich. Jetzt stehen wir aber vor einer Schranke. Der Platz ist inzwischen stramm organisiert und neuerdings mit lauter Zäunen und sowieso auch proppevoll. Wie doof!
Ich entdecke in einer meiner Apps einen Stellplatz bei einem Hof oben in den Bergen. Heute Abend noch eine schöne Aussicht zu haben, erscheint mir gerade auch sehr reizvoll. Und man soll dort auch eine Kleinigkeit zu essen bekommen. Ich rufe an und erfahre, dass noch Platz ist. "Ihr wollt jetzt noch hochkommen?", fragt er. "Jetzt noch?" Ja, sage ich und frage, ob es noch etwas zu essen gibt. Er meint, er würde bestimmt etwas finden.
Und dann landen wir auf einer sehr schmalen und kurvenreich berghoch führenden Zufahrtsstraße in einem Wald. Es wird immer enger und dämmert schon. Eine junge Frau in einem entgegenkommenden Kleinwagen muss so dicht an den Abgrund heranfahren, dass mir das Herz stehenbleibt. Dann hören wir das Geräusch der Zweige und Blätter, die an unseren Seitenwänden entlangschleifen. Dieses Ziel war so gar keine gute Idee!
Wir suchen eine Wendemöglichkeit. In einer schmalen Grundstücksauffahrt kann Tatti mühselig wenden. Zentimeterweise vor und zurück und vor und zurück. Das ist gar nicht so leicht. Ich bin sehr froh, als wir wieder unten sind. Und Tatti auch.
Der nächste Campingplatz, den wir ansteuern, ist auch voll. Hm. Ehrlich gesagt habe ich nicht damit gerechnet, dass so spät im Herbst noch so viel los ist.
Am Ende parken wir für diese Nacht vor der Schranke des Wohnmobilstellplatzes Neumarkt, einem einfachen Parkplatz, unspektakulär, aber dafür ruhig, sicher, nah an unserer Weiterreiseroute für morgen und gratis. Und da es jetzt schon gleich dunkel ist, brauchen wir auch keinen tollen Ausblick mehr. Das hätten wir einfacher haben können, wenn wir vorhin auf der A22 geblieben wären. Trotzdem wäre es da oben bei dem Hof bestimmt auch ziemlich cool gewesen. Willkommen im Leben der Schlafplatzsuchenden!
Wir kochen uns Nudeln und nach dem Abendessen lese ich in den Beurteilungen des Platzes, dass man den Hof wegen der engen Zufahrt allerhöchstens mit einem Bulli ansteuern sollte.