Wachwerden inmitten der toskanischen Hügel
Die Nacht war ganz schön unruhig, denn Hundegebell hat mich immer wieder aus meinen Träumen geholt. Eigentlich kein richtiges Bellen, sondern eher Gequieke. Hier müssen irgendwo ganz kleine Hunde sein, denke ich morgens. Dass ich immer wieder geweckt wurde, ist kein großes Drama gewesen. Ich muss ja heute nicht arbeiten. Und ich befinde mich derzeit in einer der schönsten Landschaften der Welt.
Es ist jetzt bald acht. Und ich öffne unser Rollo vom Bett aus einen Spalt. Das bezaubernde Val d`Orcia ist heute Morgen in Nebel gehüllt. Vor unserem Wohnmobil präsentiert sich mir dichter bodennaher Nebel, aus dem die Zypressen herausragen.
Das ist so wunderschön und mystisch, dass ich gleich hellwach bin, mich aus dem Bett auf meine Füße rutschen lassen, Wasser für Kaffee aufsetze und drei Minuten später in Jogginghose und Pulli mit Fotoapparat draußen stehe.
Der Nebel und somit meine märchenhaften Fotomotive verändern sich immer wieder. Mal ragt ein altes Gut aus dem Nebel, dann links davon weiter hinten Pienzas Türme und Dächer, dann beides. Dann ist es wieder weg. Dann sehe ich nur die Straße, die von unserem Hügel weg führt.
Eines der Fotos wird es nach dem Urlaub als schwarz weißes Leinwandbild an unsere Wohnzimmerwand schaffen und dieser schöne Moment wird jahrelang in mir weiterleben.
Inzwischen kocht mein Wasser im Wohnmobil und ich hole mir einen Becher Kaffee raus, schaue, trinke den Kaffee und denke, dass die Toskana wunderschön ist. Und das Leben auch.
Dann kommt der Weinbauer, der nicht so gut sanitäre Anlagen in Ordnung halten kann, und ist supernett. Er steht auf der Ebene hinter uns, winkt mich zu sich heran und öffnet eine Stalltür.
Und da stolpern auch schon moppelige und tollpatschige schwarze Hundewelpen heraus auf das Gras, so dass der Nebel doch glatt zur Nebensache wird. Die sind so süß. Ich hocke mich zu ihnen und ein kleiner dicker Felldrummel kommt zu mir. Ich knuddele ihn so lange bis er deutlich zeigt, dass er echt nicht mehr will.
Radrunde nach Pienza, Monticchiello und Montepulciano
Pienza ist das erste von drei Zielen unserer heutigen Radtour durch die Hügel der Toskana. Es macht Spaß durch die Zypressenalleen dorthin zu fahren. Pienza kennen wir schon von einer anderen Toskanareise und wir mögen es sehr.
Wir schlendern durch die alten Gemäuer, stöbern in kleinen Läden, flanieren auf der balkonartigen Promenade am Rand der pittoresken Altstadt und suchen in der Ferne unser Wohnmobil, können es aber nicht erkennen ohne Fernglas.
Bei einem Brunnen auf dem schönen Piazza Pio II lasse ich mich von Tatti fotografieren. Sie wollte erst nicht, aber ich hatte gerade "Fotoposen für Reisefotos" gegoogelt und mir das mit dem Brunnen und dem Bein gemerkt, drücke Tatti mein Handy in die Hand und dränge sie. Manchmal habe ich wirklich komische Einfälle. Das sieht total merkwürdig aus.
Ich stöbere nach regionalen Produkten und kaufe eine Probierpackung Pecorino, einen für die Gegend bekannten Schafskäse, und Feigenmarmelade. Dann steigen wir wieder auf die Räder und lassen uns den Hügel hinunter rollen Richtung Monticchiello.
Montecchiello
Montecchiello sieht so nah aus, ist es aber gar nicht. Erstmal müssen wir den richtigen Weg auf den nächsten Berg finden. Das ist gar nicht so einfach wie es aussieht.
Irgendwann oben angekommen, stellen wir die Räder vor dem Stadttor ab und drehen eine Runde durch die mittelalterlichen Gassen.
Dieser Ort inspiriert mich dazu, mir vorzustellen, wie lange auf diesen Steinen wohl schon Menschen liefen und dass sich in diesen alten Gemäuern schon viele Jahrhunderte lang Freud und Leid abspielten. Das bewegt mich. Es macht mich irgendwie demütig.
Die Altstadt ist klein und überschaubar. In vier Minuten sind wir am anderen Ende. Dennoch ist sie ohne Frage ein absolut lohnendes Ausflugsziel.
Neben dem Stadttor ist eine kleines Café, in dem ich uns Croissants und Latte Macchiato hole, was wir auf einer Bank vor dem Stadttor genießen. Auch hier haben wir wieder einen sehr schönen Weitblick in die toskanische Landschaft.
Schade, schade, dass wir auch diese tolle Bank irgendwann wieder verlassen müssen! Nun geht es Richtung Montepulciano, also wieder bergab und dann bergauf und nochmal bergab (huch, da war ja noch ein anderer Berg dazwischen) und wieder bergauf.
Montepulciano
Wir erreichen Montepulciano, die Stadt des Rotweins und unser drittes Ziel heute, bei fünfundzwanzig Grad und schönstem Sonnenschein. Es ist ein tolles Gefühl, mit den Rädern hier einzutreffen. Beim letzten Besuch mussten wir sehr weit wandern vom Parkplatz zur Altstadt und dann auch noch im Regen. Ich erinnere den Tag als wolkenverhangen und grau. Mich hat das damals total genervt, dass der Parkplatz so weit weg auf einem Hügel lag.
Und jetzt radeln wir bis zum Rand der Altstadt und schließen dort die Räder an. Ein Hoch auf die Ebikes! Und auf die Sonne!
Wir lassen uns durch die quirlige Altstadt mit den steilen Gassen treiben, bewundern allerlei Waren, bunte Seifen aus Wein, extravagante italienische Schuhe, Pasta in allen möglichen Variationen, auch immer wieder Montepulciano Weine.
Als wir genug sehen haben, setzen wir uns an einen der wenigen Tische der kleinen Bar Piazza Delle Erbe, die feine regionale Speisen zu angemessenen Preisen anbietet. Tatti bestellt sich Lasagne und ich ein Panino mit Schafskäse, Tomaten und reichlich hauchdünnem Schinken und dazu einen Rotwein.
Und ich fühle mich beim Essen sehr italienisch. Und bevor wir wieder zu den Rädern gehen, kaufen wir in einer kühlen dunklen Vinothek mit Weinflaschen in allen Preisklassen bis unter die Decke eine Flasche tiefdunklen Montepulciano d´Abruzzo, den bekanntesten Wein der Region. Es heißt, er schmecke geradlinig. Das kann ja auf jeden Fall schonmal nicht schaden.
Zurück beim Stellplatz hat Hannes einen Flirt und die Hundemama kommt zum Kraulen vorbei. Dann besuche ich die süßen schwarzen Welpen nochmal.
Wir genießen die zweite Tageshälfte auf unserem Agriturismo, quatschen, lesen, schauen in die Weite .
Und abends geht die Sonne orange hinter den Hügel unter. Ein perfekter Tag in der wunderschönen Toskana geht zuende.