Die Reise geht weiter und wir fahren mit lauter Musik und überschäumender Freude (ich zumindest) über den mittleren Damm zurück auf das Festland. Wie gesagt, ich liebe es, weiterzuziehen und neue Ecken zu entdecken und zu erkunden, ins Ungewisse zu fahren.
Und wenn dann auch noch die Sonne scheint, rechts und links Wasser ist und Gianna Nannini Bello e impossibile singt, ist der Moment perfekt.
Dieser Wald ist magisch mit riesigen uralten Pinien. Als ich genügend Fotos gemacht habe, hole ich Tatti wieder ein.
Nach einer Weile biegen wir links ab und treten durch eine kleine Lücke im Dickicht hinaus aus der Dunkelheit und stehen auf einem langen naturbelassenen Strand in der Sonne.
Hannes tobt gleich los. Er mag Strand sehr. Wir gehen nach einer ganz langen Weile am Strand entlang zurück zum Wohnmobil.
Wie schön das hier ist! Und ungezwungen. Und so vielseitig. Erst die gigantischen Bäume und jetzt der Naturstrand! Ein Stück weiter ein paar Liegen. Ein Stand-Up Paddler versucht trotz Wellen das Gleichgewicht zu halten auf seinem Brett.
Tolles Naturschutzgebiet! Diese Landzunge ist im Gegensatz zu den anderen beiden angenehm ruhig. Der grüne Pinienwaldstreifen und der Naturstrand sind zusammen ein Kilometer breit und ziehen sich sieben Kilometer lang bis zur Halbinsel Orbetello. Es gibt klein einziges Café und auch keinen Campingplatz, nur Natur. Wundervoll!
Saturnia Quellen in Grossetto
Danach fahren wir sechzig Kilometer gen Nordosten und sind nach einer guten Stunde bei den Saturniaquellen. Vom gegenüberliegenden Hang aus sehen wir dichtes Gedränge in den warmen Thermalbecken. Es ist Wochenende. Da will ich auf gar keinen Fall reingehen! Tatti wollte sowieso nicht.
Das Wasser ist immer 37,5 Grad warm, auch im Winter, und entspringt in einem Berg weiter oben. Es ist schwefelhaltig und riecht nach faulen Eiern und hat eine heilsame Wirkung, zum Beispiel auf Herz, Kreislauf, Atmung und Haut. Man soll nach zwanzig Minuten zehn Minuten Pause machen, weil das schwefelhaltige Wasser den Blutdruck stark senkt. Das wusste ich beim letzten Mal nicht, habe mich dreißig Minuten im warmen Wasser geaalt, bin von Becken zu Becken rutscht und habe mich unter den Wasserfall gesetzt und habe danach den ganzen Nachmittag im Wohnmobil verschlafen.
Oberhalb der Quellen kennen wir einen schönen terrassenförmig angelegten Wohnmobilstellplatz. Ich fahre den Berg hoch und halte vor der Zufahrt zum Platz. Er ist auch rappeldickevoll.
Tatti und ich wechseln Blicke und sind uns einig. Wir wollen gar nicht erst versuchen, dort einen Platz zu bekommen. Plan B muss her, also Fahrerwechsel und erstmal wieder den Berg runter. Ich suche in sämtlichen Apps und entdecke schließlich ein kleines Juwel.
Agricampeggio Gli Olmi Scansano
Allerdings müssen wir dafür wieder fünfundzwanzig Kilometer zurück Richtung Meer eiern. Zum Glück ist die Toskana so traumhaft schön, dass die zusätzliche halbe Stunde Fahrtzeit gar nicht schlimm ist.
Wir fahren etwas oberhalb von Scansano in den Weinhügeln zum Agricampeggio Ski Olmi Scansano, das zu einem Weingut gehört. Wir fahren durch das Zufahrtstor und über eine kleine Kuppe.
Dann sehen wir auch schon den wundervollen Ausblick und links von uns den Stellplatz an erhöhter Stelle mit einem Weitblick.
Der Schlafplatz ist wundervoll! Wir parken und holen ruckzuck die Campingmöbel raus und kochen Kaffee, trinken ihn und genießen den Ausblick. Es ist total still hier oben. Danach heben wir auch schon die Räder vom Fahrradträger.
Wir haben Lust uns zu bewegen und wollen Scansano kennenlernen.
Wir lassen uns bergab nach Scansano rollen und stellen fest, dass dort gerade ein Weinfest mit ein paar Marktständen stattfindet. Scansano wirkt abgeschiedener von der Zivilisation als Montepulciano, mehr wie ein Bergdorf, in dem die Leute harte Arbeit gewöhnt sind, sich kennen und Fremde noch ein bisschen argwöhnischer beäugt werden.
Wir schlendern durch die Marktstände und durch die alten Gassen. Die Leute bauen für den Abend Tische auf, auf denen Weine und Kleinigkeiten zu essen präsentiert werden und schmücken die Straßen. Die Luft flirrt vor Betriebsamkeit.
Immer wieder ertönen italienische Lieder aus einem Lokal oder man hört Stimmengewirr und Lachen. Ich weiß gar nicht, wo ich zuerst gucken soll. Ich stelle mir die Stimmung am Abend mit Lichterketten total schön vor.
Aber es ist noch ganz schön lange hin bis es dunkel wird. Und sich im Gedränge von Dorffesten aufzuhalten, gehört nicht gerade zu Tattis Lieblingsbeschäftigungen. Ich suche in einem kleinen Laden lauter regionale Leckereien zusammen und wir fahren zurück zu unserem Stellplatz, um dort den Blick und die Ruhe zu genießen.
Bei unserer Rückkehr haben wir neue Nachbarn, ein nettes schwules Paar aus Deutschland. Der eine ist so richtig schön geschwätzig und wir bekommen prompt eine Roomtour durch das selbst ausgebaute Gefährt.
Auf dem Stellplatz und drum herum ist es inzwischen laut geworden, denn es sind nun auch zwei italienische Wohnmobile mit kinderreichen Familien hier. Die Kinder toben über den Platz und in den Hängen herum, rufen, schreien, weinen. Es ist ein bisschen schade um die Stille, aber auch ein bisschen spannend, sie zu beobachten, wie sie da so glücklich ihre kleinen Abenteuer erleben in den Hängen.
Einen Niederländer, der sein Mobil vorne an der Kante geparkt hat versperrt den italienischen Familien dahinter die Sicht. Daraufhin rutschen sie mit ihren Campingstühlen so dicht an ihn heran und machen Krach, dass es ihn ärgert. Ers geht er unruhig hin und her. Nach einer halben Stunde fährt er wutentbrannt mit viel aufwirbelndem Staub und offener Dachhaube weg vom Stellplatz. Ich versuche noch, ihm durch Handzeichen zu signalisieren, dass seine Dachhabe offen steht. Aber er kriegt nichts mit. Auch das ist Campingleben.